Sönke Paulsen, Berlin
Wenn junge Leute kostenlos für Medien und Politik arbeiten und dafür mit der guten Sache geködert werden.
Es wird auffällig wenig über die Generation Praktikum geschrieben, die vor einigen Jahren noch in aller Munde war. Inzwischen gibt es zwei Neuerungen auf diesem Arbeitsmarkt. Die eine ist sinnvoll und die andere manipulativ und moralisch abgründig. Praktika egal in welchem Bereich müssen bezahlt werden. Das ist jetzt Gesetz. Das gilt auch für die halbseidenen Bereiche in Politik und Medien. Allerdings gilt das nicht für „Initiativen“ die durch die Medien angestoßen und dann journalistisch, politisch oder von Unternehmen ausgebeutet werden. Genau dieser Bereich boomt aber seit einigen Jahren und treibt immer neue Blüten. Meist finden solche Initiativ-Plattformen, die mit Newcomern besetzt sind, die damit ihre Karrierehoffnungen verbinden und oft einen aktivistischen Charakter haben, in den sozialen Netzwerken statt. Wenn sie politisch korrekt sind und sich am „Kampf gegen Rechts“ beteiligen, gibt es vielleicht auch ein paar Euro von Ministerien, politischen Parteien oder etablierten NGOs und Stiftungen, manchmal auch von Unternehmen, die ihr Image an den Zeitgeist anpassen möchten. Die meisten dieser Initiativen können aber, mangels Masse, nicht leben und nicht sterben und gehen wieder unter.
Was sind die Erfolgsfaktoren?
Wichtig ist dabei natürlich das richtige politische Mindset, um mit der eigenen Initiative nicht gleich ins Leere zu laufen oder gar offiziell für unfein erklärt zu werden. Wichtig ist aber auch das Karriere-Mindset, über das beispielsweise Zeitschriften wie das Magazin „Neue Narrative“ oder die etablierte „Brand Eins“ aufklären. Dabei geht es darum, Junge Leute fit für die Karriere zu machen und ihnen smarte Strategien im Umgang mit sich selbst und anderen im beruflichen Umfeld zu vermitteln. Smart bedeutet dabei, auf das eigene Fortkommen orientiert. Hier übt der junge Medien- und Politiknachwuchs, was NGOs einschließt, unterhalb des Hartz-IV-Niveaus. Die „Gute Sache“ und die „richtige Ideologie“ sind dabei also extrem wichtig, da sie die miserable soziale Situation dieses jungen Leute ausgleichen müssen. Wer hungert nicht gern für eine bessere Welt?
Im Großen und Ganzen scheint die Generation Praktikum also nicht verschwunden zu sein. Sie wurde in den letzten Jahren nur viel intensiver politisch eingebunden, als zuvor.
Die Zivilgesellschaft, die in Teilen finanziell etwas besser ausgestattet ist, als noch vor zehn Jahren, als politische Parteien und Ministerien, aber auch etablierte Medien ihr wenig Wert beimaßen, saugt viele aus dieser Generation der „jungen Armen“ auf und beschäftigt sie kurzzeitig.
Meist geschieht das auf Minijob-Basis oder mit kleinen Projekthonoraren, hauptsächlich aber mit der Hoffnung auf ein eigenständig finanziertes Leben. Oft trügt diese Hoffnung.
Egal ob Geisteswissenschaftler, Sprachtalent oder Mediengestalter. Was braucht man um in dieser politisierten Praktikumswelt zu überleben?
Zunächst einmal viel Idealismus und Vertrauen in das vorherrschende Meinungsbild der Gesellschaft, an das sich die jungen Menschen schließlich anpassen müssen. Dann benötigt man Leidensfähigkeit, die sich in der Bereitschaft zeigt, auf alles zu verzichten, was Gleichaltrige in anderen Berufen mit einem weniger ausgeprägten Hyperwettbewerb, längst haben. Geld und Sicherheit. Schließlich braucht man eine hohe Frustrationstoleranz, wenn man zum hundertsten Male um den gerechten Lohn für die eigene Arbeit gebracht wurde.
Praktikum folgt dann oft auf Praktikum, wie es vor zehn Jahren schon thematisiert und beklagt wurde. Nur das es 2010, in einer weniger stark ideologisierten Zeit, als Ausbeutung bezeichnet wurde und heute als besonderer Einsatz für den gesellschaftlichen Fortschritt gesehen wird.
Das Problem ist aber gleich geblieben und wird durch eine aggressive Zivilgesellschaft und ein aktivistisch umkämpftes Internet nicht aus der Welt geschafft. Es resultieren frustrierte Charaktere, die nicht selten von der Gesellschaft diesen ausbeuterischen Verzicht fordern, den sie selbst erleiden müssen, im schlimmsten Fall verbittert sind und ihre Intelligenz dafür einsetzen, den politischen Diskurs zu vergiften, die fanatisch oder zynisch werden.
Kurz, das Problem der Generation Praktikum ist nicht gelöst, sondern nur ideologisiert worden. Zur Ausbeutung kam der politische Betrug hinzu. Die Medien, NGOs und Parteien bedienen sich bei dieser Generation und lassen nur Einzelne nach oben kommen, die dann eine, ständig gefährdete Position in einem Büro bei NABU, der SPD oder einer Stiftung, bei einem Medium oder per Zeitvertrag in einem Ministerium verteidigen müssen und sich darüber bedingungslos anpassen. Alles andere wäre in ihren Augen sozialer Selbstmord.
Die Generation Praktikum kann auf diese Weise für die gewünschte, politische Hegemonie, derzeit vor allem von links-grün kommend, benutzt werden und lässt sich auch benutzen. Denn die Hoffnung auf einen kleinen Aufstieg besteht immer.
Fair ist das aber nicht!
In einer Zeit, in der ständig von den Zukunftschancen der jungen Generation geredet wird, sollte man freundlicherweise mal das Klima beiseitelassen und über soziale Gerechtigkeit und Fairness sprechen. Das könnte unsere Gesellschaft und unseren politischen Diskurs deutlich entgiften.
Wie heißt es so schön in unseren Politiketagen und Medienhäusern, auf der Straße und in den Unternehmen? „Wir brauchen Dich!“ Richtig, aber wofür?
Es müsste wohl eher heißen: „Wir missbrauchen Dich!“ Das wäre näher an den realen Verhältnissen dieser Generation Praktikum, die es eben immer noch genauso gibt, nur, dass darüber nicht mehr gesprochen wird.
Politisch korrekt ist das nicht!