Zum bevorstehenden Gipfel in Alaska

Sönke Paulsen, Berlin

„Krieg ist die Fortsetzung der Diplomatie mit anderen Mitteln.“ Für die Russen gilt dieser Satz von Clausewitz nicht.

In der slawischen Mentalität bleibt ein Feind solange ein Feind, bis er besiegt wurde. Man selbst kann nicht besiegt werden, sondern allenfalls vernichtet, um eine Abwandlung von Ernest Hemmingways „Ein Mann kann vernichtet werden, aber nicht besiegt,“ heranzuziehen.

In der slawischen Seele bleibt ein Feind ein Feind, auch wenn man vermeintlich Frieden geschlossen hat. Am Ende wird sich immer zeigen, wer der Gewinner und wer der Verlierer ist. Wer mit einem Feind Freundschaft schließt, tut dies, um ihn am Ende zu besiegen. Man verhandelt auch nur deshalb, um den Gegner besser kennenzulernen und seine Schwächen auszuloten.

Die Grundlage ist der kompromisslose Hass, der in der slawischen Welt tief in die Seelen eingepflegt wird und es Russen wie Ukrainern ermöglicht, den Feind, bei welchen freundlichen und unfreundlichen Umständen auch immer, konstant zu hassen, um irgendwann die Gelegenheit zu ergreifen, ihn zu vernichten.

Für die Russen und im gewissen Maße auch für die Ukrainer gilt daher der Satz: „Diplomatie ist die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln.“

Vielleicht haben wir nicht die richtigen Fehler, um die Russen zu verstehen. Kompromisslosigkeit wird in den westlichen Gesellschaften zunehmend geächtet. In Partnerschaften, welcher Art auch immer, muss man sich kompromissbereit zeigen und nach sogenannten „Win-Win-Situationen“ suchen. Genau diese Haltung wird in den slawischen Gesellschaften geradezu verachtet. Die Russen haben noch nicht einmal ein eigenes Wort für „Partnerschaft“. Der Begriff wurde aus unserem Sprachraum importiert. Der russische Begriff „сотрудничество“ beschreibt kein Verhältnis wie Partnerschaft, sondern eine Tätigkeit „Zusammenarbeit“.

Zusammenarbeiten kann man auch mit Unterdrückern, Besetzern, Kriminellen und eben den besagten Feinden, was nichts über das tatsächliche Verhältnis aussagt.

In Russland ist Dominanz entscheidend und der Dominanz wird alles untergeordnet, auch die Wahrheit. Kommen Sie einem Russen niemals mit der Wahrheit! Wenn sie auf die Wahrheit zu sprechen kommen, wird er sie misstrauisch beäugen und nach Anzeichen von Dominanzstreben bei Ihnen suchen. Denn die Wahrheit dürfen in Russland nur die behaupten, die auch die Macht haben. Wahrheit ist ein fester Bestandteil der Dominanz und damit nichts anderes als ein Unterdrückungsinstrument. Für Kritik gilt das Gleiche.

Das lässt tief blicken, auf die politischen Chancen von Oppositionellen. Denn wer eine Wahrheit behauptet, ohne die dazugehörige Macht zu besitzen, sie durchzusetzen (es gibt nämlich keine allgemeingültige Wahrheit außer, dass sich die Erde um die Sonne dreht) ist ein Narr und gehört an den Katzentisch, ins Irrenhaus oder wenn er sehr hartneckig ist, ins Straflager. Gefährliche Narren, die andere Menschen mitreißen, müssen dagegen liquidiert werden.

Wir sollten nicht vergessen, dass die russische Gesellschaft weder modern noch postmodern war und ist. Die russische Gesellschaft ist ehemals zaristisch und aktuell postsowjetisch. Macht ist der entscheidende Faktor. Wer eine Wahrheit behauptet signalisiert in Russland seine Macht und strebt danach, andere zu unterdrücken. Echte Demokratie im Meinungsstreit ist unter diesen Umständen vollkommen undenkbar, weil sie tödlich enden muss. Meinung muss immer mit der Macht gehen. Nicht zuletzt, weil sie in Russland absolut und als Ausdruck der persönlichen Dominanz auch existentiell ist. Wer seine Meinung gegenüber anderen behauptet, hat entweder die Mittel dafür oder fordert den eigenen Tod heraus.

Wie bitte, will man in einem solchen Land verhandeln. Noch schlimmer. Wie will man mit solchen Persönlichkeiten über Frieden verhandeln, wenn man schon als Feind stigmatisiert wurde.

Echte Verhandlungen sind hier schlicht unmöglich.

Wenn also Trump am Freitag tatsächlich auf Putin treffen sollte, wird alles dabei herauskommen, aber kein Frieden! Die einzige angemessene Reaktion auf die Russen, die derzeit gemäß ihrer Maxime „Diplomatie ist die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln,“ eine neue Offensive im Donbass starten und zwar im unmittelbaren Vorfeld des Gipfels, ist diesen Gipfel abzublasen und Russland mit maximalen Sanktionen unter Druck zu setzen. Eine andere Sprache verstehen nicht nur Putin, sondern auch die Russen ganz generell nicht. Sie sind begnadete „Hater“und uns in ihrer Fähigkeit den eigenen Hass auf den Feind aufrecht zu erhalten, um Längen voraus. Sie streben nach Dominanz und Hass ist ihr psychologisches Bollwerk gegen jede Art von Kompromiss, gegen jede Art der Relativierung und gegen jede Form der Beendigung eines Krieges, den sie um jeden Preis gewinnen wollen. Dafür und gegen den Feind, wird jedes Mittel eingesetzt. Auch das scheinbare Einlenken, die Schwächung des Gegners durch Verhandlungen und schließlich sogar den eigenen Untergang in Kauf zu nehmen, um nicht besiegt zu werden.

Notfalls auch durch den Einsatz von Atomwaffen.

Aus westlicher Sicht haben wir es mit der Pest zu tun, die sich nicht wegverhandeln lässt. Die Tatsache dass Trump es dennoch versucht, ist ehrenwert, aber zum Scheitern verurteilt. Denn in Wahrheit ist natürlich Amerika der Feind, den die Russen besiegen wollen. Die Ukrainer sind aus Sicht der postsowjetischen Russen nur wieder die Verräter, die einmal mehr bestraft werden müssen.

Stalin hat es schließlich vorgemacht und der hatte die Macht zu seinen Lebzeiten und wird immer noch hochgradig in Russland verehrt. Ein Diktator und Massenmörder immerhin.

Putin ist in seine Fußstapfen getreten. Warum sollte er nun von Stalins Methode abweichen? Stalin hat einen viel schlimmeren Krieg gewonnen und dann hat er die Ukrainer im „Holodomor“ bestraft.

Das Fazit ist leider, dass man Russland nur nierderringen kann und dafür alle Kräfte mobilisieren muss. Verhandlungen, wie wir uns das vorstellen, kann es nicht geben.

spaulsen

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