Hat Annalena Baerbock ihr „Jetzt“-Buch selbst geschrieben? Wohl kaum!

Sönke Paulsen, Berlin

Der Skandal ist systemisch. Plagiatjäger sind in den Büchern, Reden und teilweise auch in den wissenschaftlichen Arbeiten von Politikern so erfolgreich, beim Aufspüren nicht gekennzeichneter Zitate, weil all das meist von Ghostwritern geschrieben wurde.

Die FAZ vermutete heute schon in einer Nebenbemerkung über Baerbocks Sachbuch „Jetzt“, dass ein Ghostwriter am Werk gewesen sei. Sehr viel spricht dafür.

Ghostwriting von politischen Büchern, Memoiren, soweit ist es legal, aber auch von wissenschaftlichen Arbeiten, was nicht erlaubt ist, liegt im Trend.

Warum auch nicht, mag man bei oberflächlicher Betrachtung denken.

Bekannte Persönlichkeiten aus Politik und Medien haben besseres zu tun, als Bücher zu schreiben oder sich mit wissenschaftlichen Arbeiten abzuquälen. Dennoch ist es ein wesentlicher Teil der persönlichen Reputation, die in der Politik und den Medien nicht fehlen darf.

Helmut Kohl hat so gut wie ausschließlich mit Ghostwritern gearbeitet, die seine Persönlichkeit in hellen Farben und in „Ich-Form“ beleuchtet haben. Warum soll Annalena Baerbock das nicht?

Es gibt allerdings Gründe, Ghostwriting von Spitzenpersönlichkeiten zu problematisieren. Denn im Grunde ist diese Art der Publicity eine Täuschung der Öffentlichkeit.

Ob Helmut Kohl oder vielleicht auch Annalena Baerbock. Sie haben die Bücher, die unter ihrem Namen veröffentlicht wurden, dann eben nicht geschrieben.

Warum das wichtig ist, sieht man ganz deutlich an den Plagiatvorwürfen gegen Baerbock.

Sehr wahrscheinlich hätte Annalena Baerbock keinerlei Grund gehabt,  die bemängelten Zitate ungekennzeichnet zu lassen. Warum auch, es ist ja keine Sünde, zu zitieren. Ihr Ghostwriter aber schon!

Eine Normseite kostet zwischen vierzig und fünfzig Euro. Bei den 240 Seiten von Baerbocks PR-Buch summiert sich das auf über zehntausend Euro.  Da darf der Auftraggeber schon erwarten, dass nicht der größte Teil mit „Zitaten“ zusammengeflickt wurde.

Ein Gostwriter muss aber Qualität auf das Papier bringen, die oft nicht vom Auftraggeber oder der Auftraggeberin (im Falle Baerbocks) geliefert wird. Oft gibt es nur wenige Termine, in denen die Inhalte des Buches besprochen werden können. Manchmal reicht auch die persönliche Substanz der Politiker nicht aus, um vernünftige Inhalte zu liefern.

Substanz wird oft nicht geliefert. Was bleibt einem Ghostwriter dann anderes übrig, als sich bei anderen zu bedienen?

Der Text muss aber authentisch wirken und die Persönlichkeit, die hier veröffentlicht sein will, unterstreichen. Fremde Federn kommen da nicht gut. Also formulieren Ghostwriter, wie im Falle Baerbocks nahe liegt, Zitate geringfügig um und schieben sie ihrem Auftraggeber wohlwollend unter. Das bringt Zeilen, das bringt Authentizität und das bringt in faktenbasierter Literatur in aller Regel keine Rechtsstreitigkeiten. Wie man allgemeine Fakten formuliert unterliegt ja nicht dem Urheberrecht.

Wenn das auffliegt, bleibt trotzdem ein mieses Gefühl.

Es haben einfach zu viele Leute gemogelt und das nagt an der Glaubwürdigkeit. Ein guter Grund, niemals zuzugeben, dass man einen Ghostwriter beauftragt hat. Denn jedem leuchtet ein, dass die geistige Leistung des Schreibens demjenigen zuzuschreiben ist, der sie auch erbracht hat.

Bei Annalena Baerbock, wäre dieses Mogeln mit einem Ghostwriter, das wahrscheinlich die Plagiats-Komplikation nach sich gezogen hat, ein echter politischer Sargnagel.

Denn dann würde Frau Baerbock in der Öffentlichkeit endgültig als halbseidene Hochstaplerin dastehen, die sich für das Kanzleramt bewirbt. Eine schöne Fassade ohne eigene Substanz.

Ob sie nun oder ob sie nun nicht einen Ghostwriter für sich hat schreiben lassen, wird daher wohl niemals herauskommen. Es sei denn, der Auftragsschreiber meldet sich selbst in der Öffentlichkeit. Aber das dürfte dann Vertragsstrafen nach sich ziehen, die im schlimmsten Falle das Honorar kosten könnten.

Egal. Die Vermutung, dass Annalena Baerbock ihr Buch nicht selbst geschrieben hat, vielleicht sogar gar nicht selbst entworfen hat, ist nicht unbegründet und wird durch die offenkundigen Plagiate nicht unwahrscheinlicher, sondern im Gegenteil sehr plausibel.

Nicht mehr und nicht weniger sollte hier dargelegt werden.

PS am 03.07.2021: Nun ist es amtlich. Annalena Baerbock hat in einem Interview ihren Ghostwriter genannt, der Michael Ebmeyer heißt.

spaulsen

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