Sönke Paulsen, Berlin
Vermutlich hätte mich die Corona-Demo am Samstag den 29.8.2020 nicht besonders interessiert, wenn die Rot-Rot-Grüne Regierung nicht ein Verbot mit zweifelhafter Begründung erlassen hätte.
Dieses Verbot wurde dann einen Tag später vom Berliner Verwaltungsgericht und letztinstanzlich vom Oberverwaltungsgericht kassiert. Die Demonstration und die Kundgebung am Großen Stern konnten also stattfinden.
Offensichtlich hatten viele einen ähnlichen Gedanken, denn die Straßen um die Siegessäule herum füllten sich am Nachmittag unaufhörlich. Gegen Mittag aber wurde der Demonstrationszug von der Polizei verhindert, weil sich in der Friedrichstraße zu viele Menschen ohne Mindestabstand aufhielten. Warum der Startpunkt der Demo nun ausgerechnet in der Friedrichstraße lag, wo eine relativ enge Straßenschlucht größere Menschenmengen gar nicht aufnehmen konnte, wäre noch zu klären.
Dummheit der Veranstalter? Erzwungen durch die Versammlungsbehörde?
Es war klar, dass die dort versammelten zwanzigtausend Menschen nicht die geringste Chance hatten, Mindestabstände einzuhalten und zwangsläufig, dass die Polizei die Veranstaltung schon vor Beginn auflöste.
Ganz anders die Situation im Tiergarten. Dort wurden Abstände eingehalten, wenn auch vor der Tribüne immer wieder Leute zum gehen bewegt werden mussten, weil die Demonstranten wohl möglichst nahe am Geschehen sein wollten und die Mindestabstände nicht einhielten.
Die Atmosphäre war dennoch gut und erinnerte mich ein bisschen an alte Hippi-Zeiten. Es wurde meditiert, die Leute saßen auf der Straße und genossen die Veranstaltung sichtlich. Die Teilnehmer wirkten absolut bürgerlich, viele Familien, Jüngere und Ältere, Paare und viele Singles, wie bei einer üblichen Großveranstaltung. Von Zeit zu Zeit schlich mal eine kleine Gruppe mit Reichsfahnen durch die Menge, ebenfalls auf Abstand bedacht. Allerdings hatte ich hier den Eindruck, dass diese mutmaßlichen Reichsbürger eher ängstlich und fremdelnd durch die Demo liefen, weil sie ihresgleichen nicht finden konnten.
Das gros der Reichsbürger befand sich wohl unter den Linden vor der russischen Botschaft und hatte dort viel Ärger mit der Polizei. Dies war dann auch der Schwerpunkt der medialen Berichterstattung, die durch den Auftritt der Reichsbürger extrem verzerrt wirkte. Die friedliche Menge der Menschen, wie Du und ich, die sich gegen die Corona-Auflagen-Manie wehrten, interessierte die Medien praktisch nicht, die Randale wurde regelrecht gesucht.
Am Stern nahm man kaum Journalisten wahr, Fernsehteams habe ich dort gar nicht entdeckt, obwohl vielleicht das eine oder andere da war und so fokussierten die Medien auf eine kleine Randgruppe von wenigen hundert Menschen, während die große Menge von mehreren zehntausend Menschen allein numerisch erwähnt wurden.
Ein Hauch von Weimar ergab sich dann vor dem Reichstag, wo aufgeheizte Demonstranten sich nicht mit den Absperrungen vor dem Reichstag begnügen wollten und versuchten, das Portal zu stürmen, was auch sehr kurzzeitig gelang, dann aber von der Polizei zurückgeschlagen wurde. Diese kleine Aktion wurde von beiden Seiten zum versuchten Sturm auf den Reichstag dramatisiert, was schon einiges über die hysterischen Befindlichkeiten auf beiden Seiten aussagte. Heiko Maas bezeichnete die Bilder als „unerträglich“. Na gut, dann eben unerträglich für Heiko, aber ansonsten recht theatralisch. Es war eben nur ein Hauch von Weimar, mehr nicht.
Warum einige Menschen der Meinung sind, dass wir ein unfreies und nicht souveränes Land sind und sich deshalb sogar eigene Pässe ausstellen, weil sie den Nachfolge-Staat des Deutschen Reiches nicht akzeptieren, ist die eine Frage, die leider viel zu sehr dramatisiert wurde.
Warum normale Bürger sich ihr Demonstrationsrecht nicht verbieten lassen wollen und langsam die Schnauze voll haben, stark überzogene Restriktionen im Rahmen der Corona-Pandemie hinzunehmen, die mit unsicherer Perspektive fortbestehen sollen, ist die andere Frage.
Mit dieser Frage kann sich auch jeder vernünftig denkende Mensch anfreunden und überlegt, wie es mit einer Politik weitergehen soll, die einem Virus die strukturgebende Funktion gesellschaftlichen Lebens und gesellschaftlicher Einschränkung überantwortet. Wenn Corona sich nach mutmaßlicher Einschätzung von Wissenschaftlern, die es auch nicht genau wissen, abschwächt, können wir wieder leben, ansonsten müssen wir vor uns hin vegetieren und werden ständig unserer Freiheitsrechte beraubt.
Das ist tatsächlich kein Zustand. Das hat tatsächlich die Politik zu verantworten und nicht ein kleiner DNA-Schnipsel.
Leider sind die Medien zu einem Diskurs kaum noch befähigt und suchen ihr Heil in der Halbinformation und sogar in der Desinformation. Die Berichterstattung über die Corona-Demo am Samstag ist ein trauriges und flächendeckendes Beispiel für diese Medienlandschaft, die eher propagandistisch als journalistisch arbeitet.
Heute Nacht wurde ein Camp der Demonstranten am Großen Stern von der Polizei ziemlich brutal geräumt. Etwa 1500 Demonstranten wollten dort ausharren, bis Merkel zurückgetreten ist. Es wirkte ein bisschen so, als hätte die Polizei, die Aussichtslosigkeit der politischen Forderung erkannt und die Leute von einer Dummheit abgehalten, wenn auch mit massiver Gewalt. Paternalistisch nennt man so etwas.
Nur die Medien haben bisher nicht davon berichtet.
Eigentlich liegt dort der Hase im Pfeffer. Die Pressefreiheit ist nämlich auch eine Verpflichtung zur objektiven Information der Bevölkerung, zumindest dafür ist sie gedacht. Warum das nicht mehr funktioniert, ist wirklich eine beunruhigende Frage.
Da ich damit nicht aufhören möchte, weise ich darauf hin, dass es professionielle, journalistische Arbeit außerhalb der Massenmedien gibt, die ihren Auftrag noch ernst nimmt. Einen solchen Blog betreibt der Journalist und ehemaliger Fokus-Redakteur, Boris Reitschuster, der auch über die aktuelle Corona-Demo ausführlich berichtet.