Der gute Zar weiß von nichts

Sönke Paulsen, Berlin

Putin soll von allem nichts gewusst haben. Weder, dass die Ukrainer ein unabhängiges demokratisches Land bewohnen, in dem sie ihren Präsidenten selber wählen, noch, dass die russische Armee einen echten Krieg in der Ukraine führen wolle und nicht nur einen kurzen Regime-Change in Kiew. Er wusste auch nicht, dass die Armee Rekruten, die kaum älter als achtzehn Jahre sind, an die Front geworfen hat und natürlich wusste der gute Zar auch nicht, wie schlecht es um den Nachschub der russischen Armee bestellt ist. Schließlich hat er keine Ahnung von den Bombardements von Wohnhäusern, Krankenhäusern und Kindergärten in der Ukraine. Er weiß auch nicht, wie schlimm sich die Sanktionen gegen sein Land auf die eigene Wirtschaft auswirken und ist schließlich komplett ahnungslos, dass russische Soldaten im fünfstelligen Bereich getötet wurden und immer häufiger desertieren.

Das russische Märchen vom guten Zar, der von allen belogen wird, muss man wohl auf Wladimir Putin umschreiben, weil dieser Mann komplett ahnungslos ist und von allen seinen bösen Günstlingen belogen wurde.

Russland, das Land der großen Lügner, Betrüger und Verbrecher hat seinen völlig ahnungslosen Präsidenten in den Dreck gezogen, der nun international geächtet ist und letztlich sogar um sein Leben fürchten muss. Deshalb ist er auch meistens in seinem Bunker und bekommt kaum etwas mit.

Kreml dementiert alles

„Es zeigt sich, dass weder das Außenministerium (der USA) noch das (US-Verteidigungsministerium) Pentagon echte Informationen darüber haben, was im Kreml passiert“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge. „Sie verstehen einfach nicht, was im Kreml passiert. Sie verstehen Präsident Putin nicht. Sie verstehen den Mechanismus von Entscheidungen nicht. Sie verstehen den Stil unserer Arbeit nicht.“

Das ist tatsächlich eine alternative Deutung der der Situation. Das gesamte absurde Geschehen in der Ukraine dessen Brutalität die Russen immer weiter eskalieren, um ihre Ziele zu erreichen, scheint nach Plan zu laufen. Nur das der Westen diesen Plan nicht versteht. Die jungen rusischen Soldaten, die in den ersten Wochen des Krieges als Kanonenfutter auf die Ukrainer gehetzt wurden, haben also ihre Paradeuniformen nur so zum Spaß mitgenommen? Ein schneller Sieg war nicht geplant? Man wollte einen langen und blutigen Krieg? Wer im Kreml kann das erklären? Früher oder später wird man es auch den Russen erklären müssen, die dort ihre Kinder geopfert haben ohne irgendetwas davon zu wissen.

Man würde es im Westen ja gerne verstehen, zumindest damit wir unsere Psychopathologie an die Krankheit der Russen anpassen können, um die Sache diagnostisch einzuordnen. Aber niemand im Kreml erklärt sich.

Aus alternativen Wahrheiten sind alternative Lügen geworden

Wir kommen wohl nicht daran vorbei, dass dies nicht die Zeit der Worte ist, sondern der Taten. Aus alternativen Wahrheiten, mit denen Russland jahrelang Propaganda betrieben hat, sind beliebige Lügen geworden. Die Worte der Russen dienen nur dazu, ihre Artillerie zu unterstützen. Sie sind unglaubwürdig.

Aber auch wir müssen uns Wahrheiten eingestehen, die man nicht in wohlfeilen Formulierungen ausdrücken kann. Wir sind Kriegspartei in der Ukraine. Es sei denn, wir wären bereit das Land gegen die Russen verlieren zu lassen. Danach sieht es derzeit weder in Europa noch in den USA aus. Somit führen wir ganz ohne Natovertrag einen Verteidigungskrieg gegen Russland und niemand denkt daran, diesen Krieg zu verlieren. Am wenigsten die USA. Sicher ist dieser Krieg notdürftig verdeckt, die Erklärung, dass wir keine Truppen schicken werden, ist aber die Kaschierung der Tatsache, dass wir massenweise Kriegsgerät in die Ukraine schicken. Der Unterschied zwischen dieser Handlungsweise und einem offenen Krieg der Nato gegen Russland ist nur noch hauchdünn.

Im Prinzip hat im Westen jeder begriffen, dass wir die Russen mit vereinten Kräften so stark schwächen müssen, dass sie nie wieder auf die Idee kommen, nach Westen zu marschieren. Auch nicht mit Marschflugkörpern. Der Ausgang dieses Krieges wird tatsächlich die Entscheidung sein, ob Russland weiterhin seine militärische Hegemonie verfolgen kann oder auf sein ursprüngliches Gebiet zurückweichen muss. Im ersten Fall können wir uns in Europa auf weitere russische Angriffe gefasst machen.

Aus der Sicht des Westens müsste nicht die Ukraine demilitarisiert und entnazifiziert werden, sondern Russland. Das gilt es offen auszusprechen und in die Tat umzusetzen. Im Kreml gibt es keine Verhandlungspartner mehr für uns. Alles andere wäre eine gefährliche Illusion eine alternative Lüge, mit der wir uns selbst betrügen.

Der Kreml weiß, was er will. Mit seiner Militärmacht so weit zu kommen, wie es irgend geht. Die einzige Karte, die Putin noch spielen kann. Wenn wir diesen Plan nicht durchkreuzen, sieht es schlecht für uns Europäer aus.

spaulsen

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