Sönke Paulsen, Berlin
Warum das Gejammer der Europäer? Folge eines Realitätsverlustes? Es war klar, dass Trump in direkte Verhandlungen mit Putin gehen wird und Europa nicht um Erlaubnis fragen würde.
Die USA haben einigen Grund, erbost zu sein. Alle europäischen Staaten zusammen haben, bei vergleichbarer Wirtschaftskraft, ein Viertel der militärischen Unterstützung geliefert, welche die Vereinigten Staaten für die Ukraine aufgebracht haben.
Damit nicht genug!
Das zwei-Prozent Ziel der Nato wurde mit schöner Regelmäßigkeit, insbesondere von der führenden europäischen Wirtschaftsnation, Deutschland gerissen.
Jetzt sind es 3,8% die gefordert werden. Wenn man ehrlich ist, sind Trumps Forderungen angesichts der russischen Bedrohung immer noch zu niedrig. Fünf Prozent des BIP wären eher angemessen. Für Deutschland wären das annähernd 200 Milliarden Euro (jährlich).
Zur Erinnerung. Deutschland hat einmalig 100 Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr bereitgestellt, als uns der Schock des russischen Angriffes in die Glieder fuhr. Aber eben nur einmalig und verteilt auf fünf Jahre! Diese Größenordnung wäre in Wahrheit das, was regelmäßig und jährlich für die Nato bereitgestellt werden müsste. Der jährliche Wehretat beträgt 50 Milliarden Euro. Etwas mehr als ein Prozent des Bruttoinlandproduktes.
Europaweit liegt der Wehretat bei 320 Milliarden Euro. Immer noch weniger als 2 Prozent (1,9%) der europäischen Wirtschaftsleistung. Die USA haben einen jährlichen Wehretat von knapp einer Billion US-Dollar, bei vergleichbarer Wirtschaftsleistung (17 Billionen) mit den EU-28 von 18,8 Billionen Dollar. Großbritannien eingeschlossen (3,5 Billionen Dollar) läge Europa also deutlich vor den USA, was die Wirtschaftsleistung angeht! Die EU leistet sich, zusammen mit Großbritannien aber nur einen Wehretat, der mit 400 Milliarden Euro ungefähr 45% der jährlichen Militärausgaben der USA beträgt.
Was sagt uns das? Wollen wir nicht oder können wir nicht? Jedenfalls sind wir abgehängt und somit ist nachvollziehbar, dass die USA keinen Grund sehen, uns auf Augenhöhe zu behandeln. Die Verhandlungen über die Ukraine finden zwischen den beiden Großmächten statt und wir sind trotz unseres wirtschaftlichen Potentials keine Großmacht.
Das ist nicht nur eine Frage des Geldes. Es ist auch eine Frage des politischen Willens und der Schlagkraft, die Europa entwickelt. Diese ist durch die fehlenden Einigungsprozesse in der EU denkbar gering. Der Nato-Beitrag der Europäer reicht nicht einmal aus, um sich selbst zu verteidigen.
Die, zivilgesellschaftlich geprägte, EU übt sich in Bequemlichkeit und schaut notfalls auch ihrem eigenen Untergang zu. Verteidigungsfähig gegen das wirtschaftlich deutlich schwächere Russland sind wir jedenfalls nicht!
Die Demütigung durch einen amerikanischen Präsidenten war längst überfällig!
Die amerikanischen Rüstungsexporte liegen mehr als doppelt so hoch, wie die der europäischen Rüstungsindustrie bei 234 Milliarden US Dollar im letzten Jahr.
Sicher ist der Stil, mit dem Trump Putin erreichen möchte ziemlich narzisstisch und zielt auf eine Einigung zwischen den zwei mächtigsten Männern der Welt. Genau das wollte Putin immer erreichen und es dürfte ihm erheblich schmeicheln. Aber wenn dadurch ein Krieg beendet wird, der täglich über tausend Soldaten das Leben kostet, wäre es akzeptabel.
Es gibt nichts zu jammern. Die russische Armee hat Teile der Ukraine besetzt und befindet sich auf einem, wenn auch langsamen, Vormarsch. Die Europäer haben diesen Angriff nicht aufgehalten und die Amerikaner haben die russischen Erfolge mit ihren Waffen lediglich gebremst. Der Kampfeswille der Ukrainer war wohl bisher der wesentliche Faktor, der die Russen ausgebremst hat. Aber irgendwann hat sich auch der Idealismus ukrainischer Soldaten erschöpft, ihr Land und ihre Freiheit zu verteidigen.
Währenddessen gelingt es Putin immer noch, junge russische Männer zu Söldnern zu machen, die sich für eine Einstiegprämie von fünfzig bis siebzigtausend Euro auf den Tod einlassen. Der Präsident nutzt das wirtschaftliche Elend der Bevölkerung schamlos aus. So einfach ist das in der Ukraine nicht!
Es ist also höchste Zeit, zu verhandeln, bevor die Dämme brechen und die Verteidigungslinien auf ukrainischer Seite endgültig kollabieren. Trump kommt gerade noch rechtzeitig, um Fakten zu schaffen. Welche Fakten er schafft, darauf haben wir Europäer keinen Einfluss mehr.
Jammern nützt nichts.