Nawalny-Der Kreml statuiert ein weiteres Exempel

Über die russische Diplomatie des politischen Mordens.

Politkowskaja, Litwinenko, Nemzow, Skripal und Nawalny. Warum gibt es eigentlich immer wieder Mordanschläge mit denen ziemlich offensichtlich die Kreml-Führung in Moskau in Verbindung gebracht werden kann. Gerade bei den letzten Fällen handelt es sich ja nicht um irgendwelche Anschläge auf politisch missliebige Personen, die man schnell vertuschen und der Öffentlichkeit entziehen kann.

Das Gegenteil ist der Fall.

Litwinenko der mit Polonium vergiftet wurde, hat die Weltöffentlichkeit über Jahre beschäftigt und die Vergiftung der Skripals hat Sanktionen gegen russische Entscheidungsträger provoziert, diplomatische Verwicklungen und empörte mediale Angriffe auf Russland verursacht.Wenn man es zynisch ausdrücken möchte, handelt es sich um absolute Highlights bei politischen Morden, Tötungen der Spitzenklasse, die man nur Regierungen und ihren Geheimdiensten zutraut.

Wie auch jetzt im jüngsten Fall des vergifteten Oppositionspolitikers Andreij Nawalny kommt immer wieder die Frage auf, ob der Kreml den Auftrag für einen solchen Anschlag gegeben hat, ob Putin seinen Widersacher beseitigen wollte? Die Widersprüche, die bei der Klärung solcher Fragen auftreten, sind gewaltig.

Der Kreml dementiert und spricht von bösen Unterstellungen, aber zugleich werden diese Morde und Mordversuche in den staatlichen russischen Medien gefeiert (Fall Skripal) oder zumindest klammheimlich gelobt (Fall Nemzow). Bei Nawalny gibt es derzeit eine Funkstille. Der typische mediale Reflex in Russland ist ausgeblieben, vermutlich ist die Lage, auf Grund der Proteste im Osten Russlands und der schweren Krise in Belarus zu angespannt. Aber gemordet wird trotzdem.

Der Anschlag auf Nawalny stellt eine eminenten Schwächung der russischen Opposition dar. Er bedient aber auch ein typisches Machtsymbol des Kremls.

Das Muster folgt einem alten Machtkalkül, das schon immer gewirkt hat. Die Morde werden so spektakulär gestaltet, dass klar ist, wer der eigentliche Auftraggeber war. Nemzow wurde fast direkt an den Mauern des Kremls erschossen, Litwinko wurde radioaktiv verseucht und Skripal, vermutlich auch Nawalny sind Opfer des russischen Nowitschock Kampfstoffes, von dem alle Welt weiß.

Es soll also unmissverständlich klar sein, dass hier die Macht des Kremls zugrunde liegt. Diese Macht beinhaltet aber auch, dass man der politischen Spitze Russlands nichts nachweisen kann. Der Kreml verfügt auch über die Macht, sich jeder offiziellen Anklage zu entziehen.

Es handelt sich um eine Art gewollter, öffentlicher Demonstration einer tödlichen Macht, gegen die sich niemand wehren kann. Statuiert werden diese Exempel derzeit noch an Russen. Das Karussell kann sich aber jederzeit weiterdrehen und dann sind auch Bürger anderer Länder dran.

Interessanterweise kann sich dieses Vorgehen allein Russland leisten. Es gibt kein anderes Land auf der Erde, das derart unangefochten mit Hilfe von politischen Morden regiert werden kann. Der politische Mord ist schon fast ein Statussymbol des Kremls.

Als der saudische Kronprinz im Jahr 2018 den Journalisten Khashoggi in der eigenen Botschaft in Istanbul ermorden ließ, wurde es erstaunlich schnell eng für das saudische Königshaus. Es musste eine ganze Garde von Geheimdienstlern in fragwürdigen Prozessen geopfert werden, um die Schuld vom Königshaus abzulenken. Dem Land drohte eine internationale Isolation.

Wenn Kim Jong Un mordet, ist das eher das skrupellose Verbrechen eines international geächteten Diktators. Nord Korea hat nicht mehr viel zu verlieren.

Wenn aber der Kreml mordet, gibt es nur ein kurzes Rauschen in den diplomatischen Kanälen und selbst Großbritannien, häufiger Schauplatz von Putins Sensations-Morden, verfährt weiter nach dem Motto: Vielleicht war es ja doch nicht Russland.

Putin verfährt hier nach der Methode der absoluten Macht. Ihr könnt wissen, dass ich jede Person auf der Welt umbringen kann und ihr habt die Freiheit das zu ignorieren und trotzdem an meine Unschuld zu glauben. Ich gebe Euch mein unschuldiges Gesicht dafür.

Das ist absolute Macht!

Diese Art, sich Respekt zu verschaffen, indem man mordet und dabei gleichzeitig geachtet zu bleiben, ist eigentlich das Prinzip der Mafia und dort immer wieder beschrieben worden. Die Demonstration absoluter Macht durch Mord war eigentlich die wichtigste Methode, mit der sich Mafia-Paten in Italien in ihrer Stellung gehalten haben.

Ein fast archaisches Prinzip, das auch von Machiavelli beschrieben wurde. Extrem wirkungsvoll und eine brutale Provokation für alle freiheitlichen und demokratischen Systeme, ein Anschlag auf das Ideal des Humanismus und ein schweres Vergehen gegen die christliche Religion.

Wer so agieren kann – und der Kreml kann das – ist quasi unangreifbar und genau das soll demonstriert werden. Wie eine Botschaft an die Welt wurde der totkranke Nawalny in den Westen transferiert.

Hier dürfen wir einmal mehr rätseln, ob es wirklich der Kreml war, ob Putin dahinter steckt?

Natürlich!

spaulsen

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