Kommentar: Verstehen wir die belarussische Revolution?

Sönke Paulsen, Berlin

Belarus: Tichanovskaja bei Merkel. Kolesnikova sauer über EU-Sanktionen.

Der Osten ist rätselhaft. Schon mit Polen will sich bei mir keine Vertrautheit einstellen, obwohl die Leute dort durchaus sympathisch sind. Sie sind allerdings auch ziemlich streng und werden schnell unangenehm, wenn ihnen etwas nicht passt.

Manchmal frage ich mich, wie es dann erst in Belarus und Russland ist (in beiden Ländern war ich noch nie), wenn mir Polen schon so fremd ist.

Ich will den Leser hier keinesfalls mit persönlicher Lamoyanz langweilen, aber es ist die Ausgangsüberlegung, wie wir uns im Westen gegenüber dem Volk von Belarus verhalten sollten.

Im Unterschied zur Ukraine, die ich etwas besser kenne, gibt es dort keine koordinierte westliche Anstrengung zum Systemsturz und auch keine Überlegungen, das Land in die EU zu integrieren.

Dennoch wirken wir nach dort!

Die eine der Oppositionsführerinnen, Kolesnikova, ist eine Musikerin, die lange in Stuttgart gelebt hat und absolut westlich geprägt ist. Tichanovskaja, die selbst erklärte Gewinnerin der Präsidentschaftswahlen, ist kürzlich bei Merkel zum Gespräch gewesen und hat in Litauen Asyl bekommen. Der Außenminister, Linkevičius ist EU-Fanatiker, Russlandgegner und hängt mit der OSI von Soros zusammen im Europa-Club der „Friends of Europe“. Das muss nichts heißen, aber macht ein schlechtes Gefühl.

Der Maidan in Kiew ist für die Ukrainer nach hinten losgegangen. Das Land befindet sich seitdem nicht in der EU, sondern im Krieg. Unsere Berufsrevolutionäre von den Grünen beachten ja grundsätzlich nicht die Folgen ihrer Brandstiftungen und halten Revolutionen an sich für gut und sinnvoll.

Vernünftige Leute können nur hoffen, dass solche subversiven Einmischungen in Belarus nicht existieren, auch wenn die Kanzlerin Lukaschenka quasi nicht mehr als Präsidenten anerkennt und mit einer Hausfrau aus Minsk über die Zukunft des Landes konferiert.

Ich will nicht polemisch werden, aber haben wir wirklich ein Recht, uns da einzumischen? Kennen wir das Land, kennen wir die Leute und wissen wir, was die wollen? Wollen die unsere gesellschaftliche Verfasstheit der EU oder gar Deutschlands, oder wollen die etwas ganz anderes?

Eines macht nachdenklich. Nachdem die EU sich zu Sanktionen gegen den Führungszirkel um Lukaschenka entschieden hat, kritisiert die Mit-Anführerin der Proteste, Kolesnikova, dass die Sanktionen kontraproduktiv sind, die Dialogbereitschaft in ihrem Land hemmen und bestenfalls viel zu früh kämen.

Kolesnikova ist eine Autorität geworden und im Unterschied zu Tichanovskaja im Land geblieben.

Die EU scheint sich unter dem deutschen Ratsvorsitz mal wieder zu vergaloppieren, weil sie nur sich selbst kennt und nicht die anderen. Mir kommen Merkel, aber vor allem die Führungsspitze der Grünen und einzelne Politiker aus dem liberalen Spektrum, manchmal so vor, wie überambitionierte und selbstgewisse Sozialarbeiter, die in eine kulturfremde Familie einbrechen und laut rufen, dass hier alles falsch läuft.

Kann man diese Leute nicht endlich politisch aus dem Verkehr ziehen. Sie haben in den letzten Jahren seit der Arabischen Revolution und der Ukraine-Krise so viel Unheil verbreitet, dass es kaum noch auszuhalten ist.

Die europäische Softpower, wie man es auf dem Höhepunkt der Ukraine-Krise genannt hat, ist etwas eitles, eingebildetes und vor allem äußerst dummes. Kann man dieses Konzept nicht endlich einstampfen und als Aggression einer Staatengemeinschaft nach außen ansehen, die es ist?

Das wäre doch ein Schritt zu mehr Selbstehrlichkeit.

spaulsen

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