Ein Durchsetzungsgesetz, das eine Diktatur durchsetzen soll

Sönke Paulsen, Berlin

Das „Netzwerkdurchsetzungs-Gesetz“ ist aktuell wieder Thema in den Medien. Dieses Gesetz ist nicht nur verbal gesehen, ein Widerling, sondern auch in seiner Intention, das Netz konsequent von missliebigen Ausdrucksweisen zu säubern. Es ist eigentlich ein Säuberungs-Gesetz.

Es soll, nach dem Willen der Bundesregierung, nun ohne große Änderungen noch einmal durch den Bundestag gehen, um dann endlich vom Bundespräsidenten, der sich bisher geweigert hatte, gezeichnet zu werden. Erst dann kann es vom Bundesverfassungsgericht gekippt werden.

Es muss halt alles seinen Gang gehen, auch das, was offensichtlich gegen das Grundgesetz verstößt, wie das BVG in Bezug auf dieses Gesetz bereits feststellte und eine Frist bis Ende 2021 setzte.

Die Frist ist nun der entscheidende Vorteil, den sich die Regierungskoalition beim scheinbar absurden dritten Anlauf, welcher auch netzspezifische Teile des Gesetzes gegen „Rechtsextremismus und Hass“, implementieren soll, erhofft. Denn so kann man ein schon bestehendes Gesetz, das eigentlich im Kern verfassungswidrig ist, durch Nachbesserung retten.

Hier zeigt sich das inzwischen das rein technische Verhältnis der Regierungsparteien zu unserem Grundgesetz. Der Geist der Verfassung spielt hier keine Rolle, sondern nur die Methoden, ihn zu umgehen. Dafür gibt es ein ganzes Arsenal von Polittechnologien.

Ehrlich gesagt ist dieses Gesetz der Einstieg in den Überwachungsstaat.

Kern ist nämlich, dass soziale Netzwerke verpflichtet werden, möglicherweise strafbare Posts (und das sind viele) direkt mit allen zugehörigen Nutzerdaten (auch Passwörter, IP) an das BKA zu übermitteln, welches dann entscheidet, ob eine Weiterleitung an die Strafverfolgungsbehörden (Staatsanwälte, Landespolizei) stattfindet. Das soll möglichst oft stattfinden, wobei die Bundesregierung sich bereits Zahlen gewünscht hat, die bei etwa 250 000 angezeigten Nutzern pro Jahr liegen sollten (derzeit sind es nur ein paar Tausend).

Dieses Gesetz ist selbst Steinmeier zu viel

Sogar Steinmeier war das zu viel, weshalb er sich seit dem Sommer weigert, dieses Gesetz zu unterzeichnen. Als einseitiger Rädelsführer gegen Rechts- und nicht gegen Linksextremismus und religiösen Extremismus, im Amt des Bundespräsidenten, dürfte ihn das einige Überwindung gekostet haben.

Das spricht natürlich für die offensichtliche Attacke gegen die Meinungsfreiheit, die die große Koalition noch vor der Wahl erfolgreich ins Ziel reiten will. Der Druck auf Steinmeier wächst allerdings und am Ende wird er genauso unterzeichnen, wie er die ursprüngliche Fassung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes von 2017, am Ende der letzten Legislaturperiode, noch unterzeichnet hat.

Ich bin kein Rechtsexperte und kann das Gesetz juristisch nicht bewerten. Eine differenzierte, rechtliche Analyse des Gesetzes mit aktueller Novellierung findet sich hier.

Die FDP möchte gern das gesamte Gesetz kippen und dafür eine privatrechtliche Schiene einziehen, die soziale Netzwerkbetreiber dazu verpflichtet, bei begründetem Verdacht, dem Betroffenen die Daten des „Angreifers“, herauszugeben.

Ob das, ohne Einschaltung von Gerichten, sinnvoll ist, darf ebenfalls bestritten werden. Denn Abmahnwellen von finanziell interessierten Anwälten und ihren Mandaten, hatten wir ja schon genug. Fast jeder weiß, was eine strafbewährte Unterlassungserklärung bedeutet. Kosten und Nerven! Auch dann, wenn man unschuldig ist.

Haupteinwand gegen den hohen Druck der derzeit auf Facebook und Co ausgeübt wird, ist das sogenannten „Overblocking“, die Tendenz der Betreiber, Inhalte auch dann schon zu blockieren, wenn sie irgendwie zweifelhaft sind, um Strafzahlungen zu vermeiden. Diesen vorausseilenden Gehorsam bestreitet die Bundesregierung ganz offiziell. Allerdings ohne, sich mit dem Thema irgendwie beschäftigt zu haben. Es gäbe keine Evidenzen dafür. Richtig, es gibt ja auch keine Untersuchungen darüber! Allerdings gibt es jede Menge Klagen in den Netzwerken und Betreiber, die das Problem selbst sehen.

Nun gehöre ich zu den Leuten, die das Netzwerkdurchsetzungsgesetz komplett ablehnen, weil es der Einstieg in den Überwachungsstaat mit einer, hochgefährlichen, Privat-Public-Partnership darstellt, die es bereits im militärischen Bereich gibt und zu bösen Folgen führt. Wenn private Organisationen Kriege im Namen von Staaten führen, wird es in aller Regel kriminell.

Das ist im Internet wohl nicht anders.

Facebook rühmt sich ein seinem vorgeschriebenen Transparenzbericht bereits einer engen Zusammenarbeit mit „fachkundigen“ NGOs, wie der linkslastigen Amadeu-Antonio-Stiftung (über die hier schon verschiedentlich berichtet wurde). Das dürfte für den einen oder anderen auch schon im Internet spürbar sein. Bei reitschuster.de gab es ja bereits rechtswidrigen Sperren durch Youtube und Facebook, wobei auch mutmaßlich strafrechtlich relevante Handlungen der Google Tochter, Youtube, beschrieben wurden.

Kein Grund, das Internet unkritisch zu betrachten und soziale Netzwerke in ihren Schmuddelecken zu lassen

Ich gehöre nicht nur zu denen, die dieses Gesetz ablehnen, sondern wohl auch zu den Leuten, die von Internetkonzernen als Zombies betrachtet werden, weil sie für eine Klarnamen-Pflicht in allen Netzwerken sind.

So etwas kann nur jemand fordern, der das Internet im Grunde seines Inneren ablehnt. Pseudonyme und Avatare gehören zu sozialen Netzwerken, wie vormals das Bier zum Stammtisch. Wenn aus dem Willi plötzlich Wilfried Mustermann wird, ist die Attraktivität des Kommentierens, Postens und Lästerns im Eimer und wer will das schon, außer mir?

Ich sehe allerdings höhere Rechtsgüter in Gefahr, als das Verfassen tieffliegender Witze und Sprüche. Was uns nämlich blüht, ist die komplette Überwachung sämtlicher Stammtische per Videoschalte und halbstaatlichen Spitzeln, die man wohl bald wieder als inoffizielle Mitarbeiter bezeichnen muss. Zur Denunziation ruft dieses „Durchsetzungsgesetz“ jedenfalls ganz explizit auf und man gibt, wie erwähnt sogar schon die Zahlen vor, die erreicht werden sollen.

Es spricht viel für eine Klarnamen-Pflicht im Internet

Mit Klarnamen-Pflicht im Internet könnte man dieser antidemokratischen Bewegung von „staatlich-links“, es handelt sich schließlich um das Leuchtturmprojekt der SPD in dieser Legislaturperiode, den Wind aus den Segeln nehmen. Denn wer unmaskiert auftritt, äußert sich nicht nur vorsichtiger, sondern kann auch leichter, als bisher, von der Community als professioneller oder semiprofessioneller Agitator oder gar als IM des Internetzeitalters entlarvt werden (neudeutsch Troll).

Sehr viel Hetze kommt nach meiner Erfahrung aus professionellen Ecken, wie Geheimdiensten und NGOs, aber auch aus politischen Parteien, auch den bürgerlichen Parteien, die durchaus genug unterbeschäftigte Provokateure in ihren Reihen haben.

So eine kriegerische Mentalität ist in der Politik durchaus verbreitet und in der SPD wird ja sogar von Parteisoldaten gesprochen, wenn diese auch schon etwas angejährt sind.

Natürlich werden Alt-Stalinisten und Reichsbürger nicht dadurch besser, dass sie Elvira Meier oder Knut Kowalski (die Namen habe ich mir gerade ausgedacht) heißen und damit auch im Telefonbuch stehen. Aber die Faszination der jeweiligen Szene nimmt dann doch etwas ab, wenn sich jemand, der sich „König Peter der Zweite“ nennt, mit seinem bürgerlichen Namen bei Facebook vorstellen muss.

Zumindest aber die Betreiber der sozialen Netzwerke dürften meinen Vorschlag nicht gut finden, weil das viele von der Einrichtung eines Accounts abhalten wird. Noch schlimmer, wenn die Betreiber zu einer Identitätsprüfung per Videoident verpflichtet würden, was die logische Konsequenz daraus wäre. Die Nutzerzahlen würden massiv in den Keller gehen und die Aktienkurse von Alphabet A und C, Facebook und Twitter Inc. kräftig einbrechen.

Das will doch niemand, oder?

Darf ich hier mal meinen Finger heben und mich melden?

Ich würde mich über einen Absturz dieser Internetgiganten an der Börse freuen!

Ich meine nämlich, dass wir längst der Verführung von Twitter erlegen sind, verantwortungslos zu schreiben. Bitte nicht falsch verstehen. Mit verantwortungslos meine ich nicht, dass jemand der vorherrschenden Ideologie (meinetwegen links-grün) nicht entspricht.

Verantwortungsvolles Schreiben besteht für mich darin, dass man mit der gesamten eigenen Person hinter dem steht, was man da von sich gibt und nicht nur mit einem Avatar oder einem Pseudonym.

Ich könnte dann auch einen Reichsbürger respektieren, der der Meinung ist, dass wir kein legitimer Staat sind und lediglich ein Protektorat der Amerikaner. Sogar Schäuble hat schon Äußerungen in dieser Richtung gemacht, dass das Grundgesetz noch keine Verfassung darstellt.

Man kann anderer Meinung sein, aber Leute, die ihre politische Anschauung mit der gesamten eigenen Person vertreten, verwirft man nicht so leicht.

Politische Ernsthaftigkeit und Verantwortlichkeit hilft gegen Ideologen

Ich bin viel in den neuen Bundesländern unterwegs und mir fallen beispielsweise Bauunternehmer auf, die ihre Anschauung durch das Verwenden der altdeutschen Schrift auf ihren LKWs andeuten. Das respektiere ich, einfach, weil diese Leute sich, mit allem was sie haben, positionieren. Dazu braucht man Mut.

Nun bin ich kein Reichsbürger, sondern eher ein links-grüner Wessi, der alle seine drei Eigenschaften kritisch sieht. Dennoch denke ich, dass unserer Demokratie nichts Schlimmeres passieren kann, als das, was gerade läuft.

Die scheinbare Verteidigung derselben durch Ideologen.

Dabei muss man über diese Ideologen gar nichts aussagen. Es reicht völlig aus, festzustellen, dass sie Ideologen sind und einer Gesinnungsethik folgen, die per se andere Ethiken ausschließt.

Sie sehen sich in einem Erziehungsauftrag unreifer Bürger und bedienen sich mit ihren, immer neuen und immer schärferen, Restriktionen, wissentlich oder nicht, im Wörterbuch der Staatssicherheit der DDR. Sie nennen das linke Hegemonie und Zivilgesellschaft und sind sogar stolz darauf, dass sie damit angeblich die Demokratie verteidigen. Sie sind intolerant, predigen aber „keine Toleranz für Intoleranz“, womit sie natürlich nicht sich selbst meinen.

Eine solche Elite tötet, was sie vorgibt zu schützen.

Das Netzdurchsetzungsgesetz mit seinen Verschärfungen durch das Gesetz gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität, das eine permanente Denunziation in den Netzwerken geradezu vorschreibt, ist quasi ein Terroranschlag gegen die Meinungsfreiheit, der den Menschen, wie jeder andere Terroranschlag, Angst machen und Unsicherheit schüren soll. Damit wird man bei vielen Bürgern einen Rückzug aus der Politik erzwingen.

Für mich ist daher der Ostdeutsche Bauunternehmer, der vielleicht ein „Reichsbürger“ ist, zu schützen und zu verteidigen, solange linke Ideologen behaupten, dass allein ihre Art zu denken demokratisch sei und ein Durchsetzungsgesetz (man lasse sich das Wort auf der Zunge zergehen), das andere Positionen kriminalisieren soll, erzwingen wollen.

Notfalls wird eben die Demokratie durch die Einführung einer Diktatur geschützt.

Solche Einstellungen wurden bereits von Künstlern und Personen des öffentlichen Lebens, mit linker Identität, geäußert und von ihren Fans frenetisch bejubelt (z.B. durch Herbert Grönemeyer in einem seiner Konzertauftritte).

Ich bin schon als Kind mit romantisierenden Büchern über Ernesto Che Guevara (der viele Menschenleben auf dem Gewissen hatte) versorgt worden und habe Plakate gegen die Pinochet-Diktatur in meinen Jugend-Zimmer hängen gehabt. Das habe ich alles ganz gut überlebt.

Aber das hier, was die Ideologen sich jetzt herausnehmen, das überlebe ich nicht! Genauso wenig, wie unsere Demokratie das überleben wird.

spaulsen

One Comment

  1. Die Erkenntnis ist das eine, das daraus resultierende das andere: Wenigstens darf man Parteien, die das Durchsetzungsgesetz durchs Parlament gebracht haben, nicht länger wählen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.