Die nächste Offensive wird ein Desaster – für die Russen

Sönke Paulsen, Berlin

Jetzt ist auch die „Moskau“, das wichtigste Schiff der Russen im Schwarzen Meer gesunken. Die Begründung des Kremls, dass ein Feuer auf dem Schiff ausgebrochen war, mag stimmen. Aber die Ursache des Feuers war nun mal ein Raketenangriff durch die Ukraine.

Geschenkt. Gelogen ist wohl auch, dass man alle Matrosen von Bord bekommen hat. Bei einem Angriff dieser Art dürfte mindestens ein Viertel der Besatzung ums Leben gekommen sein. Zumal die Hitzeentwicklung und die raue See eine Evakuierung erschwert haben dürfte.

Man sollte Putin künftig Pinocchio nennen. Seine Nase wird immer länger.

Aber auch das ist geschenkt.

Der Krieg hat neben allen Lügen auch einige Wahrheiten offenbart.

Eine davon ist, dass das russische Militär, im Falle eines Angriffskrieges durch Russland, ein Totalausfall ist. Wem das übertrieben erscheint, der sollte sich einmal folgende Tatsachen vor Augen führen.

Die gefährdete Luftwaffe

Russland verfügt über ein beispielloses Waffenarsenal und hat dieses in der Ukraine bereits vorgeführt. Das Problem des russischen Militärs ist allerdings der Gegner, der angegriffen wird. Wenn dieser über moderne Waffen verfügt, kommt es zur Verschrottung der russischen Armee, bis hinauf zu den modernen Kampfflugzeugen. Ganz offensichtlich ist den russischen Militärs nicht klar gewesen, dass die Kriegsführung im 21. Jahrhundert sich grundlegend geändert hat. Nicht pure Waffengewalt, sondern Effektivität in der Kampfführung entscheidet heute einen Krieg. Einen schwer bewaffneten Kampfhubschrauber loszuschicken, um ein Team von fünf Leuten mit Flugabwehrraketen auszuschalten, ist sehr viel schwerer, als ein fest stehendes Übungsziel zu zerstören. Die Russen haben wohl gedacht, dass die Verteidiger sich auf einen Hügel stellen und freundlich winken, damit sie besser abgeschossen werden können. Das Ergebnis sind bisher einhundertfünfzig abgeschossene Hubschrauber auf russischer Seite. Russland verfügt aber nur über 544 Kampfhubschrauber.  Wären tatsächlich großenteils Kampfhubschrauber abgeschossen worden, hätte das Riesenland bereits ein Viertel dieser Streitmacht verloren.

Jede Armee der Welt zählt ihr Militärgerät auch dann, wenn es nicht einsatzbereit ist. Guten Quoten in der Einsatzfähigkeit von Flugzeugen und Hubschraubern liegen bei 70%. Die Bundeswehr liegt bei unter 50%. Selbst wenn die russische Armee siebzig Prozent ihrer Kampfhubschrauber tatsächlich einsatzbereit hätte, wären das kaum mehr als 400 Stück. Davon sind mindestens Einhundert abgeschossen worden.  Bleiben also Dreihundert, die nun aus der zweiten Reihe kommen müssen. Dazu die Piloten, die von den Kampfeinsätzen noch zurückgekommen sind und frische Piloten, meist ohne Kampferfahrung.

Kurz, die Kampfhubschrauber, die die Russen bei der kommenden Offensive einsetzten können, sind vermutlich noch anfälliger und noch leichter abzuschießen, als die erste Reihe, die bereits von Raketen zerstört wurden.

Dies ist aus zwei Gründen wichtig. Erstens haben die Russen es im Donbass mit einem starken und kampferfahrenen Gegner zu tun und benötigen hier in jedem Falle massive Luftunterstützung, um zum Erfolg zu kommen. Erdkampfflugzeuge werden hier nicht ausreichen. Russland muss seine Kampfhubschrauber schicken, um die Militärkolonnen zu schützen.

Zum Zweiten kann die russische Luftwaffe sich eigentlich keine weiteren Verluste mehr leisten. Denn das eine ist der Verlust an Material. Das andere schwerwiegendere ist der Verlust an erfahrenen Kampfpiloten, welcher den Materialeinsatz limitiert. Bei einer Offensive im Donbass, könnten Abschüsse in der bisherigen Größenordnung die russischen Panzer praktisch schutzlos den Ukrainern ausliefern.

Die schwache Infanterie

Eine andere Möglichkeit, in den Donbass vorzustoßen und die Ukrainer einzukesseln, wie überall vermutet wird, wäre der Einsatz einer sehr starken Infanterie in Verbindung mit Panzervorstößen.

Es gibt hier nur ein Problem. Russland verfügt nicht über eine sehr starke Infanterie. Die Fußsoldaten sind das vernachlässigte Volk in der Gesellschaft der großen russischen Armee. Sie zählen nur durch die pure Masse und nicht durch ihre Kampfkompetenz. Wenn Russland etwas in den letzten fünfzig Tagen vorgeführt hat, dann genau diesen Umstand, insuffizienter Infanteristen.

Bei einem erforderlichen Verhältnis von drei zu eins, müsste die russische Infanterie beim Angriff auf den Donbass mindestens neunzigtausend Soldaten umfassen. Das Problem dabei ist, dass die personellen Verluste bisher schon sehr hoch waren und im Rahmen einer Offensive, bei der erneut unerfahrene Soldaten eingesetzt werden müssen, um einiges höher werden dürften. Russland könnte bei der großen Donbass-Offensive ohne weiteres die Hälfte seiner eingesetzten Soldaten verlieren. Davon ein Drittel durch Tod, ein Drittel durch Gefangennahme und ein Drittel durch Verletzung und Krankheit.

Damit wäre der Krieg für die Russen vorbei. Denn das einzige was dann noch bleibt, ist ukrainische Städte zu bombardieren. Aber ganz im Unterschied zu Syrien, das weit weg von Russland liegt, dürfte die Ukraine ebenfalls in der Lage sein, russische Städte anzugreifen. Auch strategisch wichtige russische Städte, wie Belgorod und Kursk (mit einem riesigen Atomkraftwert), ja sogar Rostov und Sewastopol.

Donbass-Offensive ist so chancenlos, dass die Russen es lassen sollten

Wenn Russland die Donbass-Offensive verliert, kann es sich nicht einfach auf die schon besetzten Gebiete zurückziehen und in Ruhe verhandeln. Die Ukrainer haben ihre besten Truppen überhaupt noch nicht zum Einsatz gebracht, während die russischen Truppen demotiviert und kriegsmüde sind. Es käme zwangsläufig zu einer Umkehr des Angriffs-Vektors und die Ukrainer würden die derzeit besetzten Gebiete zurückerobern. Das  wird vor allem in der Region Charkiv und im Süden in Cherson passieren. Damit würde zuerst die Ausdehnung der Separatisten-Gebiete zurückgestutzt und dann die Krim von ihrer Landverbindung getrennt werden.

Am Ende könnte es sogar sein, dass sich die Ukrainer den kompletten Donbass und die Krim zurückholen. Das absolute Worst-Case-Szenario für die Russen!

Realistische Chancen für die russische Armee

Wenn man ehrlich ist, gibt es für die Russen nur zwei Möglichkeiten. Ohne weitere Offensive die besetzten Gebiete zu halten und die Ukrainer mit massivem Beschuss ihrer Städte einzuschüchtern. Dann an den Verhandlungstisch zu gehen und wenigstens die Landbrücke zur Krim heraus zu handeln. Ob das gelingt, ist fraglich. Denn in dem Augenblick, in die Russen ihren Angriffsdruck auf die ukrainische Armee reduzieren, wird diese freigesetzt, um im Süden und Osten Gebiete zu befreien. Die Dynamik des Krieges würde auch in diesem Falle umgekehrt werden.

Die andere Möglichkeit wäre ein Erpressungsschlag. Mit Einsatz einer kleinen Atombombe in der Ukraine, könnte das Land zur Aufgabe der Verteidigung gezwungen werden. Dann allerdings wäre der Geist aus der Flasche und das erste was die Amerikaner tun würden, wäre Atomraketen nach Kiew zu liefern, die russische Großstädte ins Visier nehmen. Denn einen solchen Angriff in Europa könnte sich die Nato auf gar keinen Fall gefallen lassen.

Dann wäre die Ukraine oder was von ihr übrig ist, das atomare Aufmarschgebiet der Amerikaner gegen Russland und zwar so, dass Russland wegen seines Erstschlages in der Ukraine nicht weiter eskalieren könnte, ohne das eigene Staatsgebiet massiv zu gefährden. Diese letzte Möglichkeit ist also keine wirkliche Möglichkeit, wenn Russland noch ein wenig weiterleben möchte.

Fazit:

Für Russland ist der Krieg verloren. Es hat wegen der eklatanten Schwächen seiner Armee keine Chance, seine Kriegsziele zu erreichen und nicht einmal die bisher erreichten Kriegsziele zu halten. Wenn Putin weiter eskaliert, würde letztlich das Staatsgebiet Russlands in massive Gefahr geraten. Einzige Option: Waffenstillstand und kompletter Rückzug aus der Ukraine unter Verhandlungsbedingen. Vielleicht können die Russen dann wenigstens die Krim halten.

spaulsen

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