Sönke Paulsen, Berlin
Donald Trump schleimt sich bei den Russen ein und kompromittiert die EU und natürlich Selensky. Wenn das abgesprochen wäre, könnte man an ein Good-Guy-Bad-Guy Spiel denken. Ist es aber nicht. Die EU schäumt!
„Flooding the scene,“ so könnte man die brutalst mögliche Diplomatie des amerikanischen Präsidenten durch öffentliche Stellungnahmen von ihm und seiner Administration nennen. Zusammen mit den Gerüchten, über die Starlink-Abschaltungen, die angedroht werden, kann man von einer Schockwelle reden.
Hinzu kommt, dass Trump nicht nur, im Sinne Moskaus, Selenskys Legitimität als Präsident der Ukraine drastisch anzweifelt, sondern auch eine UN-Resolution androht, in der Russland nicht mehr als Aggressor bezeichnet wird.
Im Gegenzug kommen heute die EU-Spitzen in Kyiv zusammen und bringen zumindest verbal ein riesiges Untertützungpaket von bis zu 700 Milliarden Euro mit. Was davon wirklich gegeben wird, ist eine ganz andere Frage. Polens Außenminister Sikorski gab sich gestern zumindest überzeugt, dass die Ukraine mit Unterstützung der EU noch das gesamte Jahr 2025 weiterkämpfen könnte. Eine kleine Beruhigungsspritze am Rande.
Die Trump-Administration möchte derweil den Rohstoff-Deal mit der Ukraine in trockene Tücher bringen, allerdings ohne Selensky, der nur nach dem Kriegsrecht im Amt ist. In dem Augenblick aber, wenn Selensky auf den Deal eingehen würde, hätten die USA guten Grund, den Donbass, wo sich die meisten Rohstoffe befinden, zusammen mit der Ukraine zu verteidigen. Hier würde ein Good-Guy-Spiel mit Russland vermutlich enden, weil die USA dann ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen in der Ukraine verteidigen müssten?
Schwer zu sagen.
Jedenfalls höre ich aus dem Off immer eine Stimme, die ruft: „Teilen, teilen…“ Wenn es keine Halluzination ist, wäre auch eine Strategie denkbar, die sich dort ankündigt. Trump macht Putin die nötige Hoffnung, die Ukraine unter den Großmächten aufteilen zu können?
Das wäre schon ein Sieg für den russischen Präsidenten. Unter solchen Bedingungen könnte der Kreml sogar phantasieren, dass er die Hauptstadt Kyiv bekommt, wenn er den Amerikanern nur ein genügend großes Stück vom Donbass übrig lässt?
Es liegt in der Natur des Agierens, dass es Dinge in Bewegung bringen kann, auch wenn es sich ein Stück weit von der Realität gelöst hat. Für die Hoffnung den Tod in der Ukraine zu beenden, sind auch verrückte Positionswechsel der USA erlaubt. Denn die Unterstützung der EU für Kyiv wäre letztlich nur eine Verlängerung des Sterbens junger Menschen auf einem sinnlosen Schlachtfeld, für Grenzen, die morgen schon wieder ganz anders aussehen können.
Was also, wenn die Good-Guy-Bad-Guy-Methode gegenüber Moskau funktioniert? Was, wenn Trump die Türen für Moskau wieder aufmacht, während die EU mit einem „ewigen Krieg“ droht? Zumindest kann Putin dann festklopfen, dass die Ukraine nicht in die Nato kommt. Während Moskau Kyiv die EU-Mitgliedschaft erlaubt, was ohnehin schon spruchreif ist.
Noch wichtiger für Putin, dass er dann für sich reklamieren kann, Selensky aus dem Amt gejagt zu haben. Der ist schon längst darauf vorbereitet, dass er wohl kaum wiedergewählt würde, wenn Trump mit seinem Friedensplan durchkommt. Außerdem wird Russland die besetzten Gebiete behalten und Trump wird ihm dazu auch noch auf die Schultern klopfen. Vermutlich werden die USA auch die Annexion der Krim anerkennen und für den Donbass eine Zusammenarbeit zwischen den USA und Russland vorschlagen. Stichwort, gemeinsame Ausbeutung der Bodenschätze.
Die Ukraine würde überleben und sich, in der EU angekommen, weiter nach Westen orientieren. Auf die Dauer nicht so schlimm für Moskau, weil auch Russland durch die Aufhebung der Sanktionen, welche die USA auch gegen Europa durchsetzen können, wieder mitspielen darf.
Putin könnte diesen Frieden als russischen Sieg-Frieden, wenn auch nicht als Diktatfrieden verkaufen und damit seine weitere Herrschaft rechtfertigen.
Aber, auch wenn das Kalkül aufgeht. Die jungen Männer auf beiden Seiten, die zu zehntausenden getötet wurden, bleiben tot.
Auch darf man nicht außer Acht lassen, dass Trumps Strategie gefährlich ist. Wenn Putin während der Verhandlungen zu viel will und zu stark mit den Säbeln rasselt, kann der amerikanische Präsident unter Druck kommen, die Amerikaner wieder eindeutiger auf der Seite der Ukraine zu positionieren. Dann kann es sogar zu einer weiteren Eskalation des Krieges kommen. Denn nicht nur die Russen, auch die Amerikaner verlieren nicht gern. Auch Trump muss in Washington als Sieger dastehen. Sonst geht diese Taktik nicht auf.
Auch könnten die Europäer ihm einen Strich durch die Rechnung machen, indem sie sich in einer wilden Aufholjagd, die von Flinten-Uschi ja schon angekündigt wurde, nicht nur die Ukraine unterstützen, sondern eben doch noch eine Europäische Armee gründen und den Amerikanern sowie den Russen massiv Paroli bieten.
Zugegebenermaßen nicht sehr wahrscheinlich. Viele, darunter die Polen, wollen bei soetwas nicht mitmachen. Gerade Polen setzt eben doch lieber auf die Amerikaner und die Nato. Man kann es verstehen.
Bleibt die Frage, ob man Trump bei seiner Hasardeur-Strategie Glück wünschen soll?
Ich wünsche ihm Glück. Mir sind fast alle Mittel Recht, um diesen verdammten Krieg zu beenden!