Am Ende könnte die EU an den Rauchern und Dicken scheitern

Grafik: Statistika 2014

Sönke Paulsen, Gedächtnisbüro Berlin

Die EU hat sich mit ihren Kampagnen, die sich oft auch indirekt gegen die europäischen Unterschichten richten, selbst in eine brisante Lage gebracht. Die Schockbilder auf den Zigarettenpackungen könnten den Untergang der EU als politische Zentralmacht wesentlich mit bewirken. Eine Analyse.

„Hohe Raucheranteile weisen vor allem Personen mit geringerer Bildung, geringem Einkommen und niedrigerem beruflichem Status sowie Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger auf. So rauchen z.B. 48% der Männer und 40% der Frauen mit einem Hauptschulabschluss gegenüber 25% der Männer und 20% der Frauen mit einem Hochschulabschluss.

Am deutlichsten sind die Bildungsunterschiede bei Rauchern im jungen und mittleren Alter ausgeprägt. Bei den 18- bis 19-jährigen ist der Raucheranteil mit 64% bei Hauptschülern um 25% höher als bei Personen derselben Altersgruppe, die ein Gymnasium besuchten.“ (Rauchen und soziale Ungleichheit, Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg)

„Bei Frauen stehen, anders als bei Männern, alle drei Dimensionen des sozioökonomischen Status in einem inversen Zusammenhang mit dem Vorkommen einer Adipositas. Frauen mit niedrigem Bildungs- und Berufsstatus sind 1,7-mal häufiger adipös als Frauen mit Abitur beziehungsweise hohem Berufsstatus. Besonders auffällig ist der Effekt des Einkommens. Frauen mit einem niedrigen Einkommen haben demnach eine im Verhältnis zu Frauen aus der hohen Einkommensgruppe um den Faktor 3 erhöhte Chance, adipös zu sein.“ (Sozioökonomische Faktoren und Verbreitung von Adipositas, Deutsches Ärzteblatt 2010)

Die Studien über Rauchen und Übergewicht, die einen Zusammenhang zu sozioökonomischen Faktoren, sprich einer Zugehörigkeit zu den unteren Einkommens- und Bildungsschichten von Gesellschaften nachweisen, sind inzwischen sehr zahlreich geworden.

Das Fazit, das gezogen werden muss, ist, dass Rauchen und Übergewicht eher etwas mit sozialer Ungleichheit, als mangelndem Gesundheitsbewusstsein zu tun haben.

Brüssel in Vorbereitungen

Die Europäische Union steckt nicht nur in der Krise, sondern auch erneut in Vorbereitungen. Dieses Mal für eine Kampagne gegen ungesunde Lebensmittel wie Zucker. Zielgruppe werden die Dicken sein, die entsprechende Risiken für die Gesundheit auch durch ihre Ernährung produzieren.

Wie zuvor die Raucher, können sich auch die Dicken auf etwas gefasst machen, denn die EU ist inzwischen ausgesprochen kampagnenfest. Die letzten zwanzig Jahre der Antiraucher-Kampagne, die zentral von den Gesundheitskommissaren der Europäischen Kommission mitgetragen wurde und größtenteils auch EU-finanziert war, haben zwei wichtige Erfahrungen mit sich gebracht.

Erstens war die europäische Union in der Lage von oben nach unten die gesellschaftliche Stimmung gegen das Rauchen und somit gegen Raucher massiv zu fördern. Zweitens wäre der Erfolg der Kampagne gegen die Raucher ohne eine Art Graswurzelbewegung in der Zivilgesellschaft, die stark von den Grünen Parteien in Europa gefördert wurde, nicht denkbar gewesen.

Gegen den erbitterten Widerstand der Raucher und der Tabakindustrie wurde das Nichtrauchen dabei nicht nur zum allgemeinen gesellschaftlichen Standard erhoben, sondern das Rauchen im zunehmenden Maße geächtet. Mit diesem Ächten des Rauchens wurden übrigens auch die Raucher stigmatisiert und geächtet.

Die EU brauchte also zivilgesellschaftliche Verbündete, die den Kampf gegen die Raucher unterstützten.

Das hat funktioniert.

Was dabei allerdings übersehen wird, ist, dass es sich bei den Lobbygruppen, die in der EU das Rauchen de-legitimiert haben, neben den Eurokraten und den Grünen Parteien, vor allem um gesellschaftliche Kräfte handelte, die aus der Bildungsschicht kamen und kommen und auch bezüglich der Einkommen eher oben in der gesellschaftlichen Pyramide zu finden sind.

Da haben also gesellschaftliche Eliten der übrigen Bevölkerung ihren Stempel aufgedrückt, was nicht ganz ungewöhnlich für die politische Willensbildung in der Europäischen Union und anderswo ist, aber auch nicht ganz unproblematisch.

Denn das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente, welche die Idee der Europäischen Union hochhalten sollen, werden immer noch von der Mehrheit der Bevölkerung gewählt. Diese aber ist bzgl Einkommen und Bildung eher auf dem absteigenden, als dem aufsteigenden Ast.

Jüngste Entwicklung in den Mittelschichten mit dem bedrohten Wohlstand und den Unterschichten mit dem verlorenen Wohlstand ist aber der Trend gegen die EU und eine Rückwärtsbewegung auf nationale Interessen, Befindlichkeiten und Identitäten hin. Nirgendwo wird Brüssel so gehasst, wie beim Friseur um die Ecke, im Tabakladen und bei der Verkäuferin an der Kasse. Man fühlt sich bevormundet, degradiert und schlecht behandelt und sagt dies auch jedem, der es wissen will.

Genau in diesen Schichten wird gefuttert und geraucht. Man fährt billige Gebrauchtwagen, mit schlechten Emissionswerten und will mit Ausländern und fremden Religionen so wenig wie möglich zu tun haben.

Die neue Brüsseler Initiative gegen das Übergewicht zielt einmal mehr voll in die Unterschichten Europas.

Mal sehen, was die sich die Europäische Kommission diesmal einfallen lässt, ob auch auf Zuckertüten und Schokolade in Zukunft Gruselbilder zu sehen sind?

Die einfachen Leute haben diese Kampagnen längst als Gängelung eingeordnet. Brüssel will ihnen auch den letzten Spaß am Leben wegnehmen und muss dafür bekämpft werden.

Wer es nicht glaubt, sollte sich einmal die Karte der EU anschauen, die diesem Beitrag vorangestellt ist. Sie zeigt ziemlich deutlich die prozentualen Anteile von Rauchern in der EU, die seit 2016 mit Gruselbildern auf den Zigarettenpackungen geärgert werden.

In Frankreich, wo viel geraucht wird, sind es 30-34 Prozent der Bevölkerung, in Deutschland, Spanien und Polen sind es immerhin noch 25-29%. In Griechenland (welch ein Wunder, wenn man an die sozioökonomische Bedeutung des Rauchens denkt) sind es Spitzenwerte von über 35%!

Und die Dicken?

Der Anteil an an Übergewichtigen -mit einem Body Mass Index von mehr als 30 lag 2014 im EU-Durchschnitt bei 15,9 Prozent, das entspricht etwa einem von sechs Erwachsenen. (Euronews, 20.10.2016)

Brisant für die EU ist, dass der Anteil der Übergewichtigen in einigen Europäischen Ländern, die voll stimmberechtigt sind, bei über 20% liegt (Malta sogar 26%).

Eine brisante Mischung, die sich da zusammenbraut

Wenn man davon ausgeht, dass nicht jeder Raucher übergewichtig ist und umgekehrt, ergibt sich EU-weit ein Protestwähler-Potential, das deutlich jenseits der vierzig Prozent liegt.

Wenn Brüssel jetzt also nach den Rauchern auch noch die Dicken nachhaltig vergrault, dürften Protestparteien gegen die EU in Zukunft Hochkonjunktur bekommen.

Frankreich hat eine europafeindliche Partei, die derzeit bei 25% liegt. Der Front National unter Marine Le Pen, wirbt in seinem Programm auch ganz klar damit, dass er den Franzosen ihre Freiheit wiedergeben möchte. Gemeint ist zum wesentlichen Anteil, die Freiheit von Brüssel.

Es gibt keine seriösen Untersuchungen darüber, welcher Anteil von Wählern rechtspopulistischer Parteien in Europa aus Rauchern besteht und wie viele Übergewichtige dabei sind.

Wenn man sich allerdings einige Reportagen über Trump-Fans in Amerika anschaut, fällt auf, dass viele übergewichtig sind, obwohl die Zahlen der Übergewichtigen in den USA insgesamt etwas höher sind. Die Bundesstaaten allerdings, mit den höchsten Anteilen an Übergewichtigen (mehr als 35% der Bevölkerung) Louisiana, Alabama, Mississippi und West Virginia haben komplett für Trump gestimmt. Der amerikanische Bundesstaat mit der geringsten Quote an Übergewichtigen, Colorado (20,2% der Bevölkerung) ging an Clinton.

Sollte man daraus nicht Schlüsse ziehen?

Für die unteren europäischen Bevölkerungsschichten, was Einkommen, Bildung und Lebensstandard angeht, hat sich die EU zu einem Versprechen entwickelt, dass niemals eingelöst wurde. Stattdessen erleben diese Leute, Bevormundung, die bis in ihre Privatleben und ihre Genussgewohnheiten reicht, Degradierung, die in einem Ausschluss vom politischen Diskurs durch die hegemonialen Schichten in Europa besteht (rechter Diskurs wird diskreditiert) und am Ende eine deutliche Benachteiligung bei den Wohlstands- Lebens und Arbeitsverhältnissen. Griechenland hat mit Abstand die meisten Raucher, die ärmsten Rentner und über 40% Jugendarbeitslosigkeit. Griechenlands Verhältnis zur EU darf man vorsichtig als zerrüttet bezeichnen. In Berlin treffen neuerdings Briefbomben von griechischen Terrorgruppen ein, in Brüssel wird das wohl auch bald der Fall sein.

Das soziale Menetekel der EU zeigt sich eben in dieser brisanten Mischung aus Benachteiligung und Bevormundung!

Genau hieran könnte die Europäische Union scheitern. Die Gruselbilder auf den Zigarettenpackungen werden daran ihren Anteil haben. Eine permanente Anti-Werbung aus und gegen Brüssel!

spaulsen

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