Corona und linker Autoritarismus – Erste Aufarbeitung der Krise

Meister der Alternativlosigkeit und heimlicher Begründer des linken Autoritarismus: Karl Marx

Sönke Paulsen, Berlin

Wird es eine kritische Aufarbeitung der Corona-Krise geben?

Diese Frage muss sich eigentlich jedem stellen, der an unserer gesellschaftlichen Entwicklung teilnimmt und die Einschränkungen und Restriktionen als irgendwie unnatürlich für unseres westlichen Liberalismus wahrgenommen hat.

Wer würde dann die Aufarbeitung übernehmen, von wem finanziert und schließlich von wem veröffentlicht? Es spricht viel dafür, dass wir sehr unterschiedlich Stränge im gesellschaftlichen Diskurs benötigen, um die richtigen Schlüsse aus der Krise zu ziehen. Dieser Pluralismus im Diskurs gehört ermutigt und gefördert und schließt auch alle möglichen Verschwörungstheorien mit ein.

Was gedacht wird, muss auf den Tisch.

Ein paar Aspekte, die denkbar sind, vorweg.

Das Virus nahm seinen Lauf von China aus, ein Land, das im Demokratieindex bei einem Wert 2 oszilliert, während vollständige Demokratien Werte um die 8 Punkte aufweisen. China ist nicht sehr demokratisch, wenn man es vorsichtig ausdrücken möchte. Nach den Zahlen zu urteilen, hat dieses Land, mit einer Bevölkerung jenseits der Milliardengrenze, die Krise geradezu ausgezeichnet gemeistert, auch wenn der Vorwurf teilweise gefälschter Zahlen im Raum steht und zugleich die Radikalität der Maßnahmen gegen die Bevölkerung moniert wird. Trotzdem die Frage:

Ist es ein Merkmal totalitärer Staaten, mit einer Pandemie effizienter umgehen zu können?

Die Suche nach Zahlen, die helfen könnten, diese Frage zu beantworten, gestaltet sich schwierig, weil ganz andere Faktoren, wie beispielsweise die Bevölkerungsdichte, der Urbanisierungsgrad und das Gesundheitssystem von Staaten eine augenscheinlich viel größere Rolle spielen.

Dennoch sollte man eine solche Frage stellen, weil der Hauptvorwurf der Regierungen in Hinsicht auf die Demokratie gemacht wird, auf ein Übergehen demokratischer Verfasstheiten während der Krise hinausläuft.

Der andere Vorwurf aber, der mindestens genauso häufig laut wird, ist ein wenig effizientes Krisenmanagement der Regierenden, zu zögerlich eingeführte Maßnahmen und eine meist komplett fehlende Vorbereitung auf eine Pandemie.

Vielleicht hängen auch beide Vorwürfe eher zusammen, statt sich zu widersprechen. Ein durchgestochener Bericht aus dem Bundesinnenministerium hat zumindest für unser Land die Behauptung in den Raum gestellt, dass das Krisenmanagement chaotisch, einseitig und von Angst getrieben war, dass Sitzungen des obersten Krisenstabes quasi im Sande verlaufen sind und am Ende das alternativlose Machtwort der Kanzlerin nur verhindert hat, dass die Politik nackt und orientierungslos in der Öffentlichkeit wirkte.

Unser System hätte damit, so man dem Bericht folgen möchte, nur funktioniert, weil wir einmal mehr auf eine autoritäre Führungsform regrediert sind.

Mit dieser Feststellung ließe sich theoretisch die Frage beantworten, aber ohne jede Allgemeingültigkeit. Denn in vielen autoritären Staaten hat das Krisenmanagement weit schlechter funktioniert, als bei uns.

Im Fokus stehen hier vor allem Brasilien, Russland und die Türkei. Alle drei Länder haben in den letzten Jahren autoritäre Strukturen ausgebildet und davon oft genug gebraucht gemacht. Sie hatten dabei relativ viel Zeit, sich auf die Pandemie vorzubereiten und waren unterschiedlich gut auf die Krise vorbereitet (Russland mutmaßlich am besten). Dennoch haben die Maßnahmen in allen drei Ländern die Verdoppelungszeiten der Infizierten-Zahlen nicht hinreichend senken können. Alle drei Länder rangieren auf den Spitzenpositionen bei Neuerkrankungen.

Aber auch hier muss eingeschränkt werden, dass die USA derzeit ebenfalls einen Spitzenplatz einnehmen und des Autoritarismus eher nicht verdächtig sind. Auch andere Staaten, die im Demokratieranking an Spitzenplätzen stehen, wie Spanien, Großbritannien und Belgien, auch Italien, haben die Pandemie erst relativ spät und mit relativ vielen Opfern in den Griff bekommen.

Der Iran wiederum, ein stark betroffenes totalitäres Land, hat sich rasch Hilfe bei der WHO geholt und die Infektionskurve etwas abflachen können, ohne jedoch wirklich gut dazustehen.

Die Vermutung also, dass der Erfolg oder Misserfolg im Management der Pandemie mit der Staatsform zusammenhängen könnte, scheint sich eher nicht zu erhärten.

Ist es also tatsächlich so, dass die Beherrschung einer Epidemie, die mit erheblichen Eingriffen in die Freiheitsrechte einhergeht von der vorhandenen Staatsform nicht tangiert wird?

Man möchte meinen, wenn man sich die sehr ähnlichen Maßnahmen in der Türkei und in Westeuropa mit Ausnahme Schwedens anschaut, dass es so ist. Der schwedische Sonderweg wirkt dagegen eher von einer besonders nüchternen  Mentalität bestimmt, als vom Grad der demokratischen Entwicklung. In jedem Falle hat die Rot-Grüne-Regierung in Schweden sehr viel Gegenwind für ihren liberalen Kurs im Umgang mit dem Virus bekommen, sowohl von der Opposition, als auch aus dem Ausland.

Die Schweden haben die Pandemie dennoch recht gut bewältigt, während eine der liberalsten Städte der Welt, New York, im Desaster landete, obwohl der Ausbruch deutlich später kam, als in Europa. Man hätte in New York gewarnt sein können.

In Italien, Spanien und Frankreich, alle drei Staaten im Demokratieindex recht weit oben, kam es nach einer anfangs lässigen Reaktion auf den Virus, sehr schnell zu den schärfsten Restriktionen in Europa. In Italien waren die Ausgangssperren mit einer echten Quarantäne zu vergleichen und die Städte waren wie leergefegt. Die Menschen waren ganz real in ihren Wohnungen eingesperrt und kommunizierten nur noch über Balkone und Fenster miteinander. In Frankreich gab es Formulare, die jeder mit sich führen musste, der in der Öffentlichkeit angetroffen wurde. Mehr als eintausend Meter durfte man sich nicht von seiner Wohnung entfernen, es sei denn es lagen systemrelevante Gründe vor.

Aber auch autoritäre Staaten, wie die Türkei, erwischten ihre Bürger kalt. In Istanbul kam es zu panikartigen Masseneinkäufen, weil kurzfristig eine Ausgangssperre angekündigt wurde.

Fast alle Staaten kippten ihre demokratischen und liberalen Regeln und führten ein autoritäres Regime ein, das für die Bürger mehr oder weniger transparent begründet wurde.

In einigen Staaten wurde sogar der Parlamentarismus außer Kraft gesetzt, in einem europäischen Staat (Ungarn) sogar unbefristet. In England wurde eine Zwangspause für das Parlament angeordnet. Auch in Kanada wurde das Parlament „beurlaubt“. In Frankreich und Spanien wurde der Notstand ausgerufen, was gleichbedeutend mit einem Aussetzen des Parlamentarismus ist. In Deutschland wurde zumindest darüber diskutiert, ein personell reduziertes Notfallparlament einzuführen. Dazu kam es aber nicht.

Etwa Anfang Mai, als sich der erste Schock über die Pandemie gelegt hatte, kam es dann zu Protesten, die zunächst im Internet vorgetragen wurden. Eine Vielzahl von Unterstellungen kursierte im Netz, Verschwörungstheorien über eine angebliche Weltregierung, aber auch Vorwürfe an Regierungen, wegen der teilweise überzogenen Maßnahmen, wurden laut.

Dabei war die Kritik von unterschiedlicher Qualität und reichte bis zu abgewogenen Stellungnahmen und Interviews, beispielsweise durch den Präsidenten des Bundestages, Wolfgang Schäuble, der immer wieder mahnte, Maß zu halten, wenn es um Einschränkungen der demokratischen Freiheiten ging. Nicht alles sei durch den Schutz des Lebens zu rechtfertigen. Auch die EU-Kommissionspräsidentin, von der Leyen, warnte vor autoritären Bestrebungen im Angesicht der Krise, meinte damit aber vor allem den ungarischen Präsidenten Orban, der quasi per Dekret regierte.

Tatsächlich hat die Aufarbeitung der demokratischen Einschränkungen noch gar nicht richtig angefangen, wenn auch schon Gerichte mit den staatlichen Restriktionen beschäftigt sind. Versammlungsverbote, die zu undifferenziert waren, wie in Hessen und Baden-Württemberg wurden von Verwaltungsgerichten gekippt, verschiedene Verfassungsgerichte schrieben mahnende Urteile, Maß zu halten, wenn es um die Einschränkung von Grundrechten ging.

Auffällig war auch hierzulande, dass Politiker in der Exekutive immer wieder zu weit gingen und unkritische Vorstöße gegen Freiheitsrechte und für Überwachungsmaßnahmen versuchten, die sie dann zurücknehmen mussten. Beispiele gab es beim Bundesgesundheitsminister Spahn, bei Armin Laschet dem Ministerpräsidenten von NRW und Markus Söder in Bayern. Darunter die umstrittene Corona-App, die aus Südkorea übernommen werden sollte und dort aber von Reporter ohne Grenzen massiv kritisiert wurde. Es sei im Rahmen dieser Überwachungspraxis zu erheblichen Grundrechtsverstößen gekommen, wenn Menschen im großen Stil staatlich getrackt wurden. Gerade Südkorea wurde von der Kanzlerin wegen seiner „effektiven Virusbekämpfung“ in höchsten Tönen gelobt.

Unterm Strich schien die Demokratie-Adhärenz und das Bewusstsein für eine freie Gesellschaft in der Politik proportional zur Dringlichkeit der Krise zu sinken.

Davon lassen sich auch Oppositionsparteien nicht freisprechen. Hier sind insbesondere die Grünen in Deutschland zu erwähnen, die scheinbar immer noch schärfere und konsequentere Restriktionen zur Eindämmung des Virus forderten. Anton Hofreiter von den Grünen tat sich hier besonders hervor. Unter dem eigenen Motto: „Vorsicht, Rücksicht, Solidarität“ präsentierte er sich als Mahner, der gegen Lockerungen sprach, eine zentrale Steuerung der Krise in Berlin befürwortete und als Grüner sogar vehement die Einführung der Corona App, also der Handyüberwachung forderte und auch noch fordert.

Selbst Parteien, wie die Grünen, die immer ihr Bürgerrechtsengagement betonen, sind in der Krise ganz weit in Richtung Autoritarismus gerudert und entlarvten sich durch ihre extrem restriktiven Forderungen gewissermaßen selbst.

Die Schlüsse, die man aus den beobachteten Einbrüchen demokratischer Regeln während der Pandemie ziehen kann, stehen noch aus. Es wird noch im Schatten der letzten Erkrankungswelle und in Furcht vor der nächsten Erkrankungswelle diskutiert. Allerdings ist das Thema ernst, auch wenn der breite Diskurs darüber derzeit fehlt.

Man könnte sich natürlich darauf beschränken, nun einfach festzustellen, dass eine Virusbekämpfung keine demokratische Angelegenheit sei. Dann allerdings wären Pandemien das geeignete Mittel, Demokratien auf der Erde abzuschaffen.

Das doppelte Schweden-Paradoxon

Schweden hat trotz seines wenig restriktiven Vorgehens während der Pandemie bereits Anfang April Besuche in Alten- und Pflegeheimen verboten. Die Maßnahmen unterschieden sich in dieser Hinsicht nicht von Deutschland und anderen skandinavischen Ländern. Dennoch kam es in dem skandinavischen Land zu erheblichen Todesraten, die zur Hälfte aus Infektionen in eben diesen Alten- und Pflegeheimen herrührten.

Wer den öffentlichen Diskurs über den schwedischen Weg in der Corona Krise aber bei uns verfolgt, merkt schnell, dass die Zahl der Toten in Schweden als Argument genommen wird, dass der liberale Umgang mit der Krise falsch war.

Diesen Punkt im öffentlichen Diskurs kann man als das doppelte Schweden-Paradoxon bezeichnen, weil genau dort, wo Schweden sehr restriktiv vorging, die meisten Opfer zu beklagen waren, in den Pflegeeinrichtungen also.  Das Paradoxon verdoppelt sich, weil der Diskurs gegen den Schwedischen Weg nun diese Toten als Argument gegen den nichtautoritären Weg der Schweden in der Pandemie nimmt.

Ob diese doppelte Paradoxie bei unseren Medien bewusst ist und die Angriffe gegen Schweden gewollt sind, um etwa die Restriktionen im eigenen Land zu rechtfertigen, bedarf einer weiteren Analyse.

Festgestellt werden muss, dass seit Bekanntwerden des „Schwedischen Sonderweges“ in der Corona-Krise, etwa 80 Prozent aller Medienbeiträge kritisch oder ablehnend waren. Das gilt für Deutschland, aber auch für die skandinavischen Nachbarn, Norwegen, Finnland und Dänemark. In den restriktiveren Nachbarländern gab es niedrigere Infektionsraten, wobei Schweden lediglich im oberen europäischen Drittel der betroffenen Länder mitspielt und keinesfalls einen Spitzenplatz bei den Infektionen einnimmt. Nun wird in Skandinavien darüber diskutiert, den Schweden die Einreise in ihre Länder zu erschweren, sie also gleichsam als Sicherheitsrisiko einzustufen.

Obwohl Politiker und Wissenschaftler aus Deutschland sich bei der Schwedenkritik im Allgemeinen zurückgehalten haben, kolportieren viele Medien vor allem die Kritik an fehlenden Restriktionen, die aus Schweden selbst kommt. Reflexiv auf Deutschland bezogen ist das aber nicht der Fall. Auch in Deutschland gab es eine ganze Reihe von Wissenschaftlern und Politikern, die sich gegen den Lockdown ausgesprochen haben. Sie wurden medial an den Rand gedrängt und drangen nicht durch.

Unterm Strich ist es nicht schwer festzustellen, dass die Kritik am Schwedischen Weg (Failed State –Sweden) von einer breiten Front von Massenmedien kamen, die ihre Aufgabe darin sahen den deutschen (dänischen, norwegischen, finnischen) Weg zu verteidigen. In den Ländern, in denen es trotz massiver Restriktionen mit der Eindämmung des Virus nicht so gut funktioniert hatte (Spanien, Italien, Frankreich und Belgien) hielt sich die Angriffslust gegen die Schweden eher in Grenzen.

Wie immer, wenn eine breite öffentliche Meinung zu einseitig wird, bedienen sich Andersdenkende der Sozialen Medien, um sich Gehör zu verschaffen. Das ist in Deutschland im ganz großen Stil geschehen.

Opposition in den sozialen Medien

Eine Vielzahl von Gruppen, Organisationen und Einzelpersonen haben sich auf Facebook. Twitter und eigenen Online-Medien zu Wort gemeldet und teils Kritik an den Restriktionen in Deutschland geübt, teils auch Zusammenhänge hergestellt, die weit über eine normale Kritik hinausgingen. Verschwörungstheorien wucherten gewissermaßen aus den sozialen Netzwerken hervor und überdeckten teilweise auch die kritischen Positionen, die weniger spektakulär daher kamen. In Schweden gab es solche extremen Stimmen beispielsweise in rechten Netzwerken, während sie in Deutschland von rechts und links kamen.

Insgesamt gab es in den sozialen Netzwerken sehr viele Einzelstimmen mit individuellen Standpunkten, die nicht identisch waren, aber in Opposition zur vorherrschenden restriktiven Politik standen.

Die Frage, ob es sich in den Massenmedien oder auch den sozialen Netzwerken um einen gelenkten Diskurs handelte, lässt sich schwer beantworten, wenn man bedenkt, dass hier alle einen hohen Preis bezahlt haben. Die Freiheit lässt sich niemand gern abschneiden. Ganz überwiegend aber wurde der Lockdown als eine Notwendigkeit angesehen und die Zustimmung folgte dann dem Gedanken einer Art von Staatsräson, die überwiegend als Solidarität bezeichnet wurde.

Der massenweise verwendete Begriff Solidarität implizierte dann auch, aus welcher Richtung diese Meinungshegemonie kam, von links nämlich.

Die Tatsache, dass in Schweden ausgerechnet eine rotgrüne Regierung das Gegenteil von Restriktionen verfolgte und auf die Vernunft der Bürger setzte, war mit Sicherheit ein schmerzhafter Stachel im Fleisch all der linksorientierten Kräfte, die bei uns die Restriktionen mitgetragen haben.

Lenins Motto: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ ist eben doch ein linker Leitspruch geblieben, was gerade bei uns in Deutschland deutlich erkennbar war.

Somit stellt die Corona-Krise tatsächlich in Deutschland eine Art von Präzedenzfall für einen linken Autoritarismus dar, der eben gerade durch den extremen Kontrast mit dem freizügigen Umgang der schwedischen Regierung mit seiner Bevölkerung überdeutlich wurde.

Dies ist sicher einer der Gründe, warum das schwedische Modell in der Krise gerade aus Deutschland so massiv und auch konzertiert angegriffen wurde, während es in den skandinavischen Nachbarländern vor allem um ein Sicherheitsdenken ging, das im Norden Europa sehr ausgeprägt ist.

Die Bild-Kritik an Professor Drosten

Eine Weile konnte man schon darüber grübeln, was sich da zusammenbraute, als der einflussreichste Virologe Deutschlands in der Corona-Krise, sich mit der Bildzeitung anlegte und das Blatt prompt zu einer Kampagne gegen den Wissenschaftler ausholte.

Eigentlich war die Bildzeitung in den letzten Jahren sehr handzahm gegenüber der Regierung Merkel geworden. Die intensive Freundschaft zwischen Friede Springer, die noch mehr als 40 Prozent der Anteile an Bild hält und Angela Merkel mag hier eine Rolle gespielt haben, dass das Blatt sich mit Kritik an der Kanzlerin zurückhielt.

Die Lage änderte sich erst in den letzten zwei Jahren, als Vorstandvorsitzender Döpflner krisenbedingt den Chefredakteur Julian Reichelt quasi zum Alleinherrscher über den gesamten journalistischen Content werden ließ. Reichelt sollte die alte Bissigkeit des Blattes wieder herstellen und ein modernes Marketing damit verbinden. Die Regierung Merkel war inzwischen zu elitär geworden und passte nicht mehr zum volksnahen Charakter der Bild-Medien.

Jetzt scheint es so, dass der vehemente Kritiker der Corona-Politik der Kanzlerin, Reichelt, sich an den wichtigsten Ratgeber Merkels in der Krise hält, Christian Drosten.

Mit einer vehementen Kritik an einer Vorstudie des Forscherteams über die Kontagiosität von Kindern und Jugendlichen in Bezug auf das Corona-Virus wurde Drostens Arbeitsgruppe frontal angegriffen und seine Studie als „grob falsch“ bezeichnet. Natürlich nicht von Bild, sondern von Wissenschaftlern, die Bild aufgetrieben hatte.

Dem gesunden Menschenverstand erschließt sich seither nicht, warum das Blatt sich derart stark in diese Studie verbissen hat, weil sie nämlich zeitlich deutlich nach der Empfehlung zur Schließung von Kitas und Schulen, die Drosten bereits im März empfahl, durchgeführt wurde. Außerdem gab es von Anfang an den naheliegenden Verdacht, dass das Corona Virus nicht nur viele symptomarme Fälle produzierte, die gleichwohl hoch infektiös waren, sondern auch Kinder und Jugendliche sich anstecken konnten.

Hauptmotiv der umfangreichen Schließung, die auch Spielplätze einschloss, war, dass Kinder und Jugendliche erwartungsgemäß mehr Probleme mit den Abstandsregeln haben würden. Damit hatte Drosten berufsbedingt so wenig zu tun, das man sich auf der anderen Seite wunderte, dass er überhaupt eine Empfehlung in dieser Richtung abgegeben hat.

Dieser Umstand wiederum, dass der Chefvirologe der Charité seinen Kompetenzbereich als Berater der Regierung offensichtlich überdehnt hatte, könnte der eigentliche Grund für die Angriffe auf ihn sein. Angela Merkel selbst, die wahrnehmbar in der Krise, mangels guter Berater, an den Lippen des eloquenten Wissenschaftler hing, könnte das eigentlich Ziel dieser Kampagne von Julian Reichelt sein.

Die Regierung Merkel in ihrer desolaten Orientierungslosigkeit, hat einen Wissenschaftler zum Hauptentscheider in der Krise gemacht. Einen Virologen, der sich lediglich gut mit Corona-Viren auskannte und ansonsten – laut Bildrecherchen- wohl nicht einmal von Statistiken besonders viel Ahnung hat. Denn die Hauptkritik die Bild kolportierte und aufbauschte bezog sich auf den statistischen Teil der Vorstudie.

Die Zerstörung der wissenschaftlichen Reputation von Drosten wäre also eine gute Möglichkeit, darauf hinzuweisen, auf wie dünner Basis die schweren gesellschaftlichen Restriktionen in Deutschland entschieden wurden. Hierauf zielen in der noch laufenden Kampagne ganz offensichtlich die Bild-Medien unter Julian Reichelt.

Interessant sind nun die Reaktionen der übrigen Medien auf die Bild-Kampagne.

Nicht nur die staatstragenden Leitmedien aus dem öffentlich-rechtlichen Bereich, die eher links orientierten Leitmedien, wie Spiegel, Zeit, Süddeutsche, aber auch die RTL-Gruppe mit ntv ( die derzeit von Reichelts geschasster Ex-Kollegin bei Bild geleitet wird) empören sich gegen die „ungerechte“ Kampagne, die Deutschlands Chef-Virologen trifft, sondern auch im Springer-Konzern klafft ein tiefer Graben zwischen Julian Reichelt und den Chefredakteuren der FAZ, der Welt und der Frankfurter Rundschau (auch von Springer übernommen). Das lässt tief blicken.

Denn die Meinungsvielfalt wäre ohne die Bild-Kampagne gegen Drosten um einiges ärmer. In Wirklichkeit ist es nämlich eine fundamentale Kritik am Krisenmanagement der Bundesregierung, welche sich die übrigen Leitmedien nicht nur verbaten. Viel mehr wird nun der unverschämte Ausbruch eines Mediums aus dem regierungsfreundlichen Meinungskartell mit harschen Worten bekämpft.

Dieser Kampf gegen den Ausreißer „Bild“ ist ein weiterer Hinweis darauf, dass sich unsere Medienlandschaft, vergleichbar der Flüchtlingskrise, wie eine geschlossene Gruppe verhalten hat, deren Auftrag und Aufgabe es war, die Maßnahmen der Regierung möglichst positiv an die Bevölkerung zu verkaufen. Andere Meinungen wurden massiv bekämpft.

Auch gleichgeschaltete Medien in Diktaturen verhalten sich nicht anders, als unsere Leitmedien in der Krise, wenn vielleicht auch vor einem anderen strukturellen Hintergrund.

Die Tatsache, dass sich diese Gruppe von Leitmedien eher aus dem linken, als dem rechten politischen Spektrum rekrutiert hat, spricht für einen Rückfall in Agitation und Propaganda aus Zeiten der Kulturrevolution in Europa, also den sechziger bis achtziger Jahren. Nur eben, dass die propagandistische Ader der Meinungsbildner auch in dieser Krise wieder sich mit den Wünschen und Bedürfnissen der Bundesregierung deckt, die Bevölkerung, der grundsätzlich rechte Umtriebe unterstellt werden, ruhig zu halten und nicht mit zu vielen Wahrheiten zu beunruhigen.

Ob man das schon als linken Autoritarismus bezeichnen möchte, bleibt jedem selbst überlassen. Die Folgen allerdings wären ein Totalausfall der kritischen Öffentlichkeit auch in dieser Krise unseres demokratischen Rechtsstaates gewesen, hätte es die Bild-Zeitung nicht gegeben.

Weshalb linke Restriktionen

Man möchte die Frage nach den Gründen linker Restriktionen eigentlich gar nicht stellen, weil links schon immer extrem restriktiv war. Das lag zu jeder Zeit, auch zu Zeiten des Sozialismus, daran, dass sozialistische Denker von einem Menschenbild augegangen sind, wie es sein sollte und nicht, wie es war. Das hat, von Marx über Lenin bis zur Frankfurter Schule und der Umweltbewegung linkes Denken so grundlegend geprägt, dass die „Verbesserung des Menschen“ immer vor den sozialen Anliegen linker Politik rangierte.

In der Regel war dies nur über Restriktionen zu realisieren, was auch zu langgehegten Sympathien von Sozialdemokraten und Kommunisten, aber auch von Grünen mit dem real existierenden Sozialismus geführt hatte.

Die Grüne Bewegung ist zudem mit ihren Umweltanliegen längst bei der gedachten Dikatatur (Ökodiktatur) angekommen, die in grünen Kreisen auch ganz offen diskutiert wird.

Der Autoritarismus der Grünen kommt also nicht von ungefähr und das Muster ist ähnlich den Sozialisten meist flankiert mit sozialem Ausgleich und sozialer Gerechtigkeit, damit die Bevölkerung sich die geplanten Restriktionen auch gefallen lässt.

In der Corona Krise kam allerdings noch das aufgeheizte und polarisierte gesellschaftliche Klima dazu, das seit der Migrationskrise zu massiven Konfrontationen und Kämpfen zwischen rechten und linken Kräften in der Gesellschaft führte.

Hier mag ein Grund zu finden sein, warum die Grünen und die Sozialdemokraten sowie Teile der Linken in Ostdeutschland die Kanzlerin auf ihrem restriktiven Kurs gegen die Bevölkerung permanent an Radikalität und Brutalität überholt haben.

Ein pragmatisches Umschwenken und Nachlassen der autoritären Haltung fällt gerade Politikern wie Hofreiter von den Grünen oder auch Lauterbach von der SPD besonders schwer. Beides stramme Ideologen, die sich jetzt hinter der Besorgnis um eine neue Infektionswelle verstecken.

Man kann sagen was man will. Ihr autoritäres und diktatorisches Potential haben Sozialdemokraten, Grüne und Linke in dieser Krise ausgesprochen deutlich gezeigt.

Demokratieadhärenz gab es eher von Seiten der FDP und auch nicht von rechts. Denn die AfD wusste während der gesamten Krise praktisch nicht, wo sie sich positionieren sollte. Passgerecht für diese Orientierungslosigkeit gab es einen Flügelkampf zwischen Rechten und Gemäßigten in dieser Partei.

Blieb also nur eine fünf-Prozent-Partei, die unsere demokratischen Werte auch angesichts von Corona hoch hielt. Die FDP unter Lindner eben.

spaulsen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.