USA-Europa: Wirklich ein Unterschied?


Sönke Paulsen, Berlin

Wann hören wir auf die Demokratie zu bekämpfen und nehmen wieder den Kapitalismus ins Visier?

Arme kleine Demokratie, sie wird von allen Seiten angegriffen, gedemütigt, in Besitz genommen, missbraucht, verachtet und schließlich links liegen gelassen. Es gibt ja wichtigeres.

Bei uns haben sich die linke Bürgerlichkeit und eine antifaschistische Kampffront, die selbst nie erlebt hat, was Faschismus ist, die Verteidigung der Demokratie auf die Fahnen geschrieben. „Kampf gegen Rechts“, heißt das Bündnis, dem alles Recht ist, wenn rechts da ist, wo sie nicht sind. Denn da sind nur Nazis, Braune und Rassisten. Sie selbst sind auf eine totalitäre Art tolerant und beugen den Rechtsstaat von der Migrationsfrage bis zu Corona auf ihre Weise. Man könnte das Bündnis umbenennen in „Kampf gegen das Recht“, das ist treffender. Allein die linke Zivilgesellschaft, mit ihren NGOs, die sich zunehmend an die Macht manipuliert, ohne demokratisch gewählt zu sein, würde diesen Begriff rechtfertigen.

Aber auch die echten Rechten von der AfD halten unsere Demokratie für eine Farce und tun das Kund. Nicht, weil sie wirklich der Meinung sind, dass unsere Demokratie schlecht ist, sondern weil sie die Abgehängten für sich als Wähler brauchen. Denn die Verlierer unseres aktuellen „sophisticated Capitalism“, den Merkel und ihre Frauen, die SPD, Neokonservative Grüne und sogar Linke so lieben, haben sich nach rechts gewandt und hoffen dort auf Hilfe.

So wurden aus den östlichen Mittelgebirgen die Appalachen Deutschlands. Das amerikanische Gebirge, in dem stramm Trump gewählt wird, fühlte sich mit seinen Bewohnern wohl ähnlich abgehängt, wie bei uns der Thüringer Wald.

Das alles ist überhaupt nicht Deutsch. Es findet sich in der Provence, Nord-Italien, in den Karpaten und in den Rust-Belts der Welt. Die Gewinner der Globalisierung reklamieren jetzt auch die Demokratie für sich und die anderen wehren sich nach Kräften, suchen Zuflucht bei Populisten, auch wie Donald Trump einer ist. Trump, sollte er verlieren, wird trotzdem die Leitfigur dieser Menschen bleiben.

Aber Trump ist nicht besonders demokratisch und leider auch kein Held des Volkes, sondern ein Milliardär, der das System ebenfalls nach Kräften beugt.

Nur was heißt das heute schon?

Auch Merkel beugt den Rechtsstaat und die Demokratie, wo sie kann, genau wie Macron und Orban, wie die Lobbyisten in Brüssel und die ihnen loyalen Parlamentarier, Kommissionäre und Assistenten eines Systems, das eben auf den Kapitalismus zugeschnitten ist, auf das System der Gewinner und Verlierer eben.

Nun wollen die Verlierer sich zu Recht ihre Rechte nicht abknöpfen lassen, nur weil sie den Hyperwettbewerb verloren haben. Die stellen verständlicherweise die Frage, ob die Demokratie auch ihre Gültigkeit behält, wenn man nichts zu spenden hat. Sie erfahren, dass diese grundsätzliche Frage bei jeder Wahl etwas offener und ungenierter verneint wird.

Natürlich nicht. Achtzig Prozent des Einflusses in unserer Demokratie üben zehn Prozent der Vermögenden aus. Die zugehörigen Studien werden von der Bundesregierung im Armutsbericht wacker unterdrückt und zensiert, obwohl irgendein Verrückter aus dem Kabinett diese selbst in Auftrag gegeben hat.

Die vielbeschworene Polarisierung ist kapitalistisch und die Trennlinie geht genau durch die Bevölkerung und lässt sich am Geldbeutel quer durch die Republik ziehen. Gewinner und Verlierer. Zwei Armeen, die sich aufs Bitterste bekämpfen, sich gegenseitig Lüge, Verschwörung und Faschismus vorwerfen und dabei ganz vergessen, dass es um soziale Ungleichheit und fehlende Verteilungsgerechtigkeit geht.

Der größte Gegenspieler der Demokratie, so scheint es, ist inzwischen der erklärte Garant der liberalen Demokratien geworden. Der Kapitalismus, der eben auch unter folgenden Bedingungen gut funktionieren kann.

Diktatur, Überwachung, Unterdrückung, Entrechtung und sogar Sozialismus. Der Kapitalismus funktioniert immer. Die extreme Ungleichheit, die er hervorbringt, schädigt derzeit unsere Demokratie massiv.

Jetzt bitte nicht rufen, dass die Weltbevölkerung gerade ihre Armut hinter sich lässt. Das stimmt nicht. Die Trickle-Down-Theorie ist ein schlechter Witz. Ein Smartphone mit Internet ersetzt nämlich kein sauberes Wasser, keine sichere materielle Lebensgrundlage und keine existentielle Sicherheit für die eigene Familie. An diesen Maßstäben gemessen, ist nicht einmal ein Viertel der Erdbevölkerung aus der Armut raus.

Wann hören wir auf, die Demokratie zu bekämpfen und fangen wieder an, über den Kapitalismus nachzudenken? Ich meine das menschliche Maß der Dinge und wie es derzeit von der Monstrosität des Geldes zusammengestaucht wird. In den USA wie in Europa.

Darum geht es!

spaulsen

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