Die permanente Revolution – Neokonservative in den USA und Europa

Sönke Paulsen, Berlin

Seit einem Jahr bin ich an dem Thema dran und werde nur unter Mühen klüger. Es geht um ein politisches Phänomen, das mich auch betrifft, weshalb ich einiges Interesse habe, es wenigstens mir selbst zu erklären.

Allein es gelingt mir nicht. Vielleicht bin ich auch selbst, als Ex-Linker, zu nahe dran und sehe die Dinge deshalb unscharf?

Ich meine den Neokonservativismus, wie er aus den USA schon vor langer Zeit zu uns herübergeschwappt ist und bereits seit den Siebzigern die Verbindung unserer politischen Elite in die USA definiert.

Unbedarft denkt man bei konservativ an Trump und die Tea-Party-Bewegung, die in den USA die republikanische Partei umgekrempelt hat. Aber das gilt tatsächlich als Paleokonservativismus, also als Rückgriff auf die politische Dominanz von Konservativen in den USA und der westlichen Welt überhaupt.

Man könnte sich auch begrifflich unabhängig erklären und den Begriff für diejenigen benutzen, die wir als neue Konservative bezeichnen, was bei uns eher mit dem Begriff „neue Rechte“ umschrieben wird.

Neokonservative sind allerdings etwas ganz anderes. Es sind enttäuschte Linke, die irgendwann, vornehmlich in den sechziger und siebziger Jahren, in den USA ins konservative Lager gewechselt sind.

In den USA gibt es dabei nur recht unsaubere Unterscheidungen zwischen den eigentlichen Linken (leftists) und den Liberalen (liberals), die sich alle gleichzeitig bei den Demokraten (democrats) tummeln. Das macht diese Partei schwer einschätzbar, weil zwischen Linken und Liberalen manchmal Welten liegen.

Das hat auch historische Gründe. Die ehemalige kommunistische Partei der USA brachte die trotzkistische SWP (Socialist Worker Party) hervor, die heute noch existiert, wenn auch am Rande der Bedeutungslosigkeit. Mit zunehmender Annäherung an konservative politische Positionen wurde es für Linke möglich, von der SWP zu den Democrats zu wechseln, was auch dem, von Trotzki empfohlenen, Marsch durch andere Parteien und Gewerkschaften entsprach (entryism).

Die Democrats wurden also seit den Siebzigern zu einem Sammeltopf linker Ideologen, die dort nicht nur das Klima beeinflussen konnten, sondern auch über exzellente Verbindungen zu radikalen linken Gruppierungen verfügten, die, wie man in Trumps Präsidentschaft gesehen hat, durchaus geeignet waren, die Straßen für die Linken zu erobern und gewalttätige Proteste anzuschieben oder zu unterstützen (siehe auch Wiki Antifa-United States).

Das haben vermutlich auch diverse Neokonservative in den USA bemerkt und sind, teilweise recht angewidert, als „hawkish-liberals“ (liberale Falken) zu den Republikanern gewechselt, wo sie aber, seit der „Tea-Party-Bewegung“(erzkonservativ), ins Hintertreffen gerieten (so konservativ sind sie eben doch nicht). Deshalb wechseln wieder vermehrt Neokonservative zurück zu den Demokraten. Gerade jetzt, wo es dort, mit einem Präsidenten der Democrats, wieder etwas zu gewinnen gibt.

Viele der „liberals“ in den USA sind dabei eigentlich linke Ideologen, die pragmatisch geworden sind (mugged by reality), in ihren ideologischen Denkmustern aber den Linken (leftists) eigentlich nur unwesentlich nachstehen.

Aber dazu später!

Der europäische Arm der Neocons

Zurück zu der Unterscheidung zwischen Linken und Liberalen, der bei uns in Europa eigentlich recht deutlich getroffen werden kann. Im europäischen Parlament sind die Liberalen bekanntlich in der ALDE-Fraktion organisiert, zu der auch unsere FDP gehört. Ihr Vorsitzender, Guy Verhofstadt, verfügt über exzellente Beziehungen zu allen europäischen, transatlantischen Organisation und zu den amerikanischen Neokonservativen. Das Ziel der ALDE, und somit auch der FDP, ist eine Erneuerung der EU im wirtschaftlichen und politischen Sinne und eine Ermächtigung Brüssels und des Europäischen Parlamentes über die einzelnen Mitglieder (zum Wohle der Marktwirtschaft). Eng verwandt hierzu sind die Europäischen Democrats (European Democratic Party), die vor allem geholfen haben, Macrons liberale Partei (LREM) aus der Wiege zu heben.

Dieser politische Komplex spielt in Europa eine wesentliche Rolle. In Deutschland aber übernimmt ihre politische Richtung die Union Merkels, die auf europäischer Ebene (EVP/EPP) allerdings nicht ganz so liberal daher kommt. Immerhin gehört auch Orbans, eher nationalistisch-eurokritische Fidesz-Partei zur EVP.

Es gibt eine Reihe von neokonservativen Organisationen, die in Europa etabliert sind und meist als transatlantisch bezeichnet werden, also ihren Hauptsitz in New York oder Washington haben. Darunter das berühmte „Council on Foreign Relations“ in dem auch George Soros und Joschka Fischer aktiv sind oder die Foreign Policy Initiative (FPI), die aus dem Project for the New American Century (PNAC) hervorgegangen ist, das von den Chefstrategen der Neokonservativen, William Kristol und Robert Kagan gegründet wurde. Die FPI wurde 2017 aufgelöst.

Man kann also sagen, dass bisher die größte Nähe zu den amerikanischen Neokonservativen (Neocons) durch die ALDE und die CDU in Deutschland hergestellt wurde.

Gemeinsam ist diesen amerikanischen Neocons und den Liberalen in Europa, der Wunsch das „liberale Europa“ weiter auszudehnen und dabei möglichst viele ehemalige Staaten des Ostblocks einzugliedern. Dies sollte parallel zu einer Nato-Mitgliedschaft laufen. Im Falle der Ukraine ist diese transatlantische Gruppierung allerdings auf Grund gelaufen und konnte sich gegen Putins Russland nur sehr unvollständig durchsetzen.

Damals war der verstorbene Senator McCain (führender Neocon) ebenso auf dem Maidan in Kiew zu finden, wie der, ebenfalls verstorbene, FDP Vorsitzende Guido Westerwelle. Beide betrieben also die gleiche Politik, notfalls durch Unterstützung oder das Anschieben von Revolutionen und Regime Changes, die westliche Hemisphäre weiter nach Osten zu verlagern.

Dies ist ein Kernanliegen der amerikanischen Neocons.

Eine dritte Partei, die ebenfalls auf dem Maidan in Kiew zu finden war, sind die Grünen, die von Gerhard Schröder kürzlich als neue neokonservative Partei charakterisiert wurden. Auch Teile der europäischen Grünen, besonders der Deutschen (ein Beispiel ist Cem Özdemir) haben intensive Kontakte zu den Neokonservativen in den USA und werden von dort politisch unterstützt (übrigens auch durch George Soros, der als Mentor der Grünen auftritt und dessen Einfluss bis in unser Kanzleramt reicht). Die Realo-Fraktion der Grünen erfüllt inzwischen auch die Kriterien, welche die amerikanischen Neokonservativen zur eigenen Charakterisierung gefunden haben.

Auch viele Grüne sind enttäuschte Linke, die ins (neo)konservative Lager gewechselt sind.

In den USA gibt es diverse Charakterisierungen der Neocons, die auf drei politische Eigenschaften hinauslaufen, über die man sich dort auch einig ist.

Neocons sind für (militärische) Interventionen in autokratisch geführten Ländern, oder Subversion mittels Unterstützung der Zivilgesellschaft vor Ort, zum Zweck eines revolutionären Umsturzes. Es sei denn, diese Länder arbeiten mit den USA zusammen. Neocons bezeichnen sich selbst gern als liberale Falken, wie es Madeleine Albright und Robert Kagan getan haben. Von Madeleine Albright stammt der denkwürdige Satz, den sie zu Henry Kissinger (ebenfalls Necon) gesagt haben soll. „Warum haben wir all die schönen Waffen, wenn wir sie nicht einsetzen?“ Albright ist übrigens die politische Mentorin von Hilary Clinton.

Neocons glauben an ein amerikanisches Zeitalter und eine unipolare Welt, die von den USA geführt werden sollte, sind deshalb auch explizit gegen Russland und etwas weniger gegen China eingestellt. Sie verachten multinationale Organisationen wie die United Nations (UN).

Innenpolitisch haben die Neocons linke Positionen übernommen oder gehalten (im Einzelfall kommt es darauf an, von wie weit Links der jeweilige Politiker kommt), Es geht Ihnen, im Unterschied zu ihrem Vordenker Kristol, inzwischen um einen Wohlfahrtsstaat in den USA, der geeignet ist, die amerikanischen Bürger zu beruhigen. Damit liegen sie etwas mehr auf Merkels Linie, als auf der Linie der deutschen Liberalen. Sie treffen damit auch den Geschmack der europäischen Grünen.

Die meisten amerikanischen Neocons sind davon überzeugt, dass sie, global gesehen, die „Guten“ sind und die anderen die „Schlechten“, was lässlich wäre, wenn es nicht eine dezidiert religiöse Richtung des Neokonservativismus gäbe (die Theocons) deren Nähe vor allem die gescheiterte Präsidentschaftskandidatin Hilary Clinton suchte. Das amerikanische Sendungsbewusstsein geht hier mit religiösen Akzenten einher. Viele Neocons sehen multinationale Organisationen wie die UN eher kritisch und sind gegen eine echte multilaterale Welt (was auch zu religiösen Eiferern und Fanatikern passt).

Aber Vorsicht! Dieses Sendungsbewusstsein, das auch den europäischen Grünen anhaftet und den „glühenden Europäern“ unter den europäischen Liberalen, auch in der Union Merkels und schließlich vielen Sozialdemokraten, die sich in der Tradition der sozialistischen Internationale sehen, kommt bei den amerikanischen Neocons aus einer ganz anderen politischen Ecke.

Die Gründer des amerikanischen Neokonservativismus Irving Kristol und Norman Podhoretz waren noch etwas linker als links. In ihrer Jugend waren sie Trotzkisten und Kommunisten.

Warum ein Trotzkist zum Liberalen oder Konservativen wird, ist manchmal schlecht zu beurteilen.

Welche Rolle spielte Trotzki bei den amerikanischen Neokonservativen?

Trotzki, der Anfang der Vierziger in Mexiko vom sowjetischen Geheimdienst ermordet wurde, hatte drei Prinzipien.

Die permanente Revolution und damit auch die Fortführung der „Sozialistischen Internationale“, den Marsch durch die Institutionen auch durch gegnerische Parteien und den Kampf gegen die Sowjetunion.

Da passt etwas zusammen mit dem amerikanischen Sendungsbewusstsein und scheint die Neokonservativen in den USA geprägt zu haben. Wie sehr, darüber lässt sich streiten.

Es gab sowohl während des kalten Krieges, als auch während der Präsidentschaft Putins keinen Neocon, der nicht gegen Russland kämpfen wollte. Ob das ein Erbe Trotzkis ist, sei dahingestellt. Die Strategie der „permanenten Revolution“ vor allem in anderen Ländern (auch mit militärischen Mitteln) ist ganz sicher das Erbe der Trotzkisten, woher kommt sonst dieser revolutionäre Geist? Geschäfte kann man auch mit Autokraten machen.

Egal ob der Vietnamkrieg, der von den Neocons unterstützt wurde oder die Irakkriege und Afghanistan. Immer standen die Neocons als Architekten dieser Kriege in erster Reihe. Die Bush-Doktrin und der Angriff auf den Irak 2003 wurden von Paul Wolfowitz (Neocon) maßgeblich gebahnt. Unter Bush hatten die Neocons das Ruder fest in der Hand.

Aber auch unter Obama drängten sie in das Außenministerium und das Pentagon. Hilary Clinton hatte engste Beziehungen zum Cheftheoretiker der Neocons Robert Kagan. Dessen Ehefrau, Victoria Nuland, die auch im State-Department arbeitete, spielte eine Rolle beim Umsturz in der Ukraine 2014.

Müßig auf Europa zu verweisen, wo die Grünen letztlich die Balkankriege unterstützten und vor einigen Jahren auch den (militärischen) Interventionismus ganz offen in ihr Parteiprogramm aufnahmen. Sie waren aktiv am Umsturz in der Ukraine beteiligt und maßgeblich für den Bürgerkrieg in der Ukraine verantwortlich.

All das im Dienst der „permanenten Revolution“? Man kommt ins Nachdenken.

Zumindest hat die CIA eine deutliche neokonservative Prägung (Wollsey, Bush, Brennan etc.) erfahren und dürfte deshalb auch für Trump, der die USA aus den internationalen Krisenherden heraushalten wollte, sehr unangenehm gewesen sein. Das beruhte wohl auf Gegenseitigkeit. Trump, der die Sitzungen mit den Geheimdiensten immer möglichst kurz gehalten haben soll, bekommt nun, auf Anweisung des neuen Präsidenten, keine Geheimdienstinformationen mehr.

Der späte Fluch Trotzkis könnte darin bestehen, dass so konservative Senatoren wie ehemals McCain und Lindsey Graham seinen Kampf gegen die „falschen Bolschewiken“ weitergeführt haben, als es sie schon gar nicht mehr gab. An ihre Stelle trat der Erzfeind Putin.

Dennoch ist natürlich kein amerikanischer Neokonservativer ein Trotzkist und Kommunist, obwohl der Neokonservativismus ohne die „permanente Revolution“ eigentlich nicht denkbar ist.

Man könnte das Ganze auch als US-amerikanischen Imperialismus auffassen, der durch „demokratische“ Revolutionen verdeckt wird. Imperialismus wird in der amerikanischen Bevölkerung aber kaum noch akzeptiert. Man will sich selbst genug sein und in Frieden leben, worauf auch Donald Trump gebaut hat. „Splendid Isolation“. Eine Politik, die jetzt durch Biden, im Sinne der Neocons, wieder rückgängig gemacht werden soll.

Warum schreibe ich das?

Eigentlich können wir unsere Gesellschaft, unsere politische Entwicklung nach dem zweiten Weltkrieg und die aktuellen politischen Zusammenhänge in Deutschland und Europa nicht verstehen, wenn wir die Verhältnisse in Amerika nicht durchblicken.

Die kurze Trump-Ära hat vor allem eines deutlich gemacht. Der politisch-mediale Komplex in Deutschland hat in diesen vier Jahren einen permanenten Wahlkampf gegen Trump geführt. Es fühlt sich so an, als wären alle amerikanischen Neocons nach Deutschland ins Exil gekommen und hätten von hier aus verbittert den Präsidenten bekämpft, wie einst Trotzki von Amerika aus gegen Stalin kämpfte.

Wie es mit dem amerikanischen Neokonservativismus weitergeht, ist unklar. Aber der europäische Neokonservativismus steht erst am Anfang!

Wenn Merkel und andere Unionspolitiker in Davos über den Reset sprechen, der nach Corona kommen muss, meinen sie eine Revolution, bei der sie Europa in der ersten Reihe sehen möchten. Das ist, mit allen globalen Implikationen, neokonservatives Gedankengut, ursprünglich inspiriert von Trotzkis permanenter Revolution.

Die Eintrittskarte in die Führungselite von Medien, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft bekommt man in Washington. Es gibt niemanden, der in Deutschland ganz oben ist und keine transatlantische Protektion genießt. Das ist das Erbe der amerikanischen Neocons, die das Volk bestenfalls am Rande interessiert, die aber nach den Eliten in anderen Ländern greifen. In Deutschland denkt die Elite amerikanisch und das Volk deutsch. In Frankreich ist diese Spaltung nicht ganz so schlimm und auch in Großbritannien gibt es einen wesentlich eigenständigeren Kurs gegenüber den USA, jedoch auch, wie man sieht, gegenüber der EU.

Für das Superwahljahr (amerikanischer Begriff) 2021 befinden sich zwei neokonservative Parteien in der Favoritenrolle. Die Union von Angela Merkel und die Grünen. Wir müssen uns also mit dem Denken und der Politik der Neokonservativen beschäftigen.

Wir müssen uns auch damit beschäftigen, woran die Neokonservativen in den USA inzwischen gescheitert sind. Es ist ihnen nicht gelungen, das amerikanische Volk mitzunehmen. Vermutlich liegt Donald Trump mit seiner „Voter-Fraud-Kampagne“ sogar richtig. Neokonservativismus ist in den USA eine reine Bewegung der Eliten. Das Volk will keine „permanente Revolution“, sondern lediglich wirtschaftliche Prosperität.

Wie es sich in Europa entwickelt, wissen wir noch weniger.

Verschwörungsmythen verdecken das, was wirklich ist

Auch wenn dieser Aufsatz vielleicht nicht viel Licht ins Dunkel gebracht hat, liefert er doch eine Alternative zu Verschwörungsmythen, die meist auf die amerikanischen Eliten zielen. Ob George Soros, Bill Gates, Goldmann-Sachs oder die Clintons, liefert keine dieser Personen oder Organisationen hinreichende Anhaltspunkte für eine Verschwörung zur Erlangung der Weltherrschaft.

Es sind Ideen, wie die der permanenten Revolution, die sich in den Köpfen unserer Eliten festsetzen und sich zu Glaubenssätzen zusammenfügen. Die Neokonservativen mit ihren aggressiven globalen Strategien und einer geringen nationalen Bindung, entsprechend auch einer geringen Demokratieadhärenz, haben diese Glaubenssätze, die sich in den Familien der Neocons (Beispiel die Kristols und die Kagans) von Generation zu Generation fortsetzten. Die Neocons haben aber auch starke Konkurrenten.

Es mag absurd klingen, aber diejenigen, die wir in Europa als „neue Rechte“ manchmal auch als „neue Konservative“ bezeichnen, sind echte Gegenspieler im Sinne eines Gegentrends zur Globalisierung. Gemeint ist die Renationalisierung! Trump gehört zu diesem Gegentrend, der sich auch in den östlichen EU-Ländern (Ungarn, Polen, Tschechien, Bulgarien, Österreich) durchsetzt und schließlich in Russland durchgesetzt hat.

Die Antwort an viele Verschwörungstheoretiker ist eben genau die, dass wir nicht verfolgt werden, aber tunlichst die politische Entwicklung international verfolgen sollten, um am Ende nicht vor vollendeten Tatsachen zu stehen, die durch eine verhältnismäßig kleine Elite geschaffen wurden.

Dazu gehört eben auch die Einsicht, dass man neokonservative Parteien an den Wahlurnen meiden sollte, wenn man von der permanenten Revolution die Nase voll hat. Als echter Konservativer und Demokrat darf man eben gerade nicht Merkels Union und die Grünen wählen!

Denn Neokonservative verfolgen in der Regel globale Interessen und nicht die der eigenen Bevölkerung. Sie agieren in aller Regel auch nicht demokratisch, sondern nutzen, ohne Überzeugung, demokratische Techniken zur Machtentfaltung. Sie vernetzen sich über mehrere Parteien hinweg und verfolgen ihre eigenen Ziele und nicht diejenigen, die im Parteiprogramm stehen. (Parallelen zum Regierungsstil unserer Kanzlerin sind nicht zufällig!)

Sie handeln oft subversiv, intuitiv und folgen einer Grundidee, die sie manchmal selbst nicht verstehen (vielleicht weil sie von Trotzki kommt). Sie sind demokratisch nicht berechenbar und haben in ihrer langen Geschichte in den USA gezeigt, dass sie auch nicht loyal gegenüber Parteien und Wählern sind. Man erkennt sie derzeit an der guten Vernetzung mit Nichtregierungsorganisationen aus dem links-liberalen Spektrum und der Wirtschaft. Als ehemalige Linke geben sie alles auf, aber nicht den Anspruch auf die Macht!

Sollte sich Angela Merkel tatsächlich von der politischen Macht zurückziehen, wäre das ein Novum bei den Neokonservativen!

spaulsen

4 Comments

  1. Dieser Artikel ist für mich ein weiterer Baustein um das amerikanische Geschehen und das in unserem Land zu verstehen. Es ist politisch soviel passiert wo ich mir keinen Reim mehr machen kann. Ich bin Jahrgang 54 und mit festen Werten der Nachkriegszeit grossgeworden. Ich. habe vieles in Amerika falsch eingeschätzt und unsere Qualitaetsmedien berichten vieles einfach nicht.

  2. Sehr geehrter Herr Paulsen, ein sehr interessanter Artikel! Der natürlich im gegebenen Rahmen kaum mehr sein kann, als die grobe Skizze eines aktuellen Stands der Recherchen. Das Hauptthema, ich würde es „die oft verborgenen Verflechtungen von (scheinbar) Rechts und Links“ nennen, beschäftigt mich auch, schon länger. Viele Details bzgl. der Neocons waren mir nicht bekannt, allerdings: warum nur bin ich dennoch wenig überrascht? Weil ich (z.B.) vor einigen Jahren mal dem Wechsel des ständigen Sitzes mit Vetorecht im UN-Sicherheitsrat von Taiwan zur VR China 1971 nachgegangen war und dabei auf Henry Kissinger stieß. Was zwar im Kontext des damaligen Vietnamkrieges absolut unpassend zu allen konventionellen Auffassungen von Politik sein mußte, andererseits aber die US-Protektion für die gestürzte Pol-Pot-Regierung verständlicher machte. Die hatte nämlich – dank USA – noch bis 1989 den offiziellen Sitz ihres Landes in der UNO-Vollversammlung inne. —
    Ob allerdings die Akzeptanz von Wörtern wie „Verschwörungstheotiker“ und „Verschwörungsmathen“ für den eigenen aktiven Wortschatz hilfreich ist, und sei es für die m.E. voll berechtigte Abgrenzung zum verbreiteten „Soros! Soros!“-Geschrei, möchte ich doch bezweifeln. Was das Gestrüpp der Geschichte des 20.Jahrhunderts betrifft, sind Sie doch wohl noch am Anfang eines langen Weges. Was ich für mich in ähnlicher Weise beschreiben würde, wohl bislang anderen „Wildwechseln“ folgend. Kann jemand anders vorankommen, als vorgefundenes Material, Theorien, Behauptungen nach „glaubhaft“, „zweifelhaft“ und „unsinnig“ zu ordnen? Was helfen da propagandistisch verbrannte Kategorien? – Vielleicht sehe ich das aufgrund meines DDR-Hintergrunds strenger…
    Zweifellos bleibt noch vieles zu erforschen. Wie ist Ihre Einschätzung der Rolle (und Verflechtungen) Trotzkis? Kennen die die Veröffentlichungen Anthony C. Suttons? (Ich habe sie bislang nur überflogen. Selbst wenn sie sich als nicht glaubwürdig erweisen sollten, enthalten sie immerhin massenhaft Ausgangspunkte für weitere Forschungen. Deshalb aber nichts zum „mal schnell Durchlesen“.) Um uns wieder der Gegenwart zu nähern: Wie erklären Sie die unglaubliche Ähnlichkeit des derzeitigen gesellschaftlichen Klimas in den USA zu typischen stalinistischen Kampagnen?
    Abschließend zum Hauptgrund dieser Zeilen: Wären Sie eventuell an einem breiterem Austausch von Forschungsergebnissen (in diesem „Gestrüpp“) interessiert? Vielleicht gar bis zu einer Koordination bzgl. der Untersuchung von Teilthemen? Und wie könnte das – ggfs. – technisch umgesetzt werden? Es umfaßt ja soviel Material! Wohl mehr als zu jemals zu bewältigen ist… Auch zu aktuelleren Themen (Jugoslawienkrieg, Konflikt Ukraine-Rußland, Rolle Chinas) wäre mir ein Austausch recht, allerdings glaube ich da, eine weitgehend fundierte Einschätzung zu haben. Dennoch: gewiß sind mir auch Aspekte entgangen, das läßt sich kaum je ausschließen. – Bitte auch bei Desinteresse eine kurze E-Mail! Auf dem Weg natürlich auch Nachfragen, thematisch oder zu meiner Person, um sich überhaupt erstmal ein Bild zu machen.
    Beste Grüße!

  3. Hallo Arne AG, gut überlegte Artikel veröffentliche ich ohne Umschweife auf der Website hier. Exzerpte kann man vielleicht auf der Seite reitschuster.de unterbringen, die viel häufiger gelesen wird.
    Ich bin weder Wissenschaftler noch hauptberuflicher Journalist, weshalb Koordination bei mir an den Zeitgrenzen scheitern wird. Aber ich bin ein großer Freund davon, Mosaike zusammen zu tragen. Die linken Konservativen, die ihre Tradition vermutlich wirklich in den USA haben und nun bei uns zur Konjunktur auflaufen, sind tatsächlich ein äußerst lohnendes Thema. Schöne Grüße und danke für den ausführlichen Kommentar!

  4. Ich bin auch nur Amateur, aber die „Profis“ lassen – aus unterschiedlichen Gründen – eben manches aus. Da muß man dann – im Fall von Neugier – selber tiefer graben. Haben Sie sich jemals gefragt, wie eigentlich der Rote Stern zur Arbeiterbewegung kam? Offiziell rein zufällig im Frühjahr 1918. Ein typisches, scheinbar völlig nebensächliches Thema…. — Dazu habe bislang noch wenig Antworten. Aber ich werde mal nachdenken, was sich sonst noch zu einem sinnvollen Artikel verarbeiten läßt. Vielleicht gibt es Ihrerseits konkrete Wünsche oder Fragen?
    Die Seite von Boris ist derzeit ja gut gefüllt, da gedenke ich mich – vorerst zumindest – auf Kommentare zu beschränken, sofern es sich nicht anders ergibt.

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