Was ist dran, an Putins „Präventivkrieg“ gegen die Ukraine?

Sönke Paulsen, Berlin

In Russland läuten die Kriegsglocken schon seit längerem. Wir hören das jetzt auch.

Die Kriegsvorbereitungen Russlands an den Grenzen der Ukraine sind wohl nicht mehr zu leugnen. Der Kreml tut das auch nicht wirklich. Es steht zu befürchten, dass Putin tatsächlich in der Ukraine zuschlägt. Entschieden scheint das aber nicht. Zeit über Landesverteidigung nachzudenken.

Im russischen Fernsehen läuft tagaus tagein ein Bedrohungsszenario durch die Nato, die in der Ukraine riesige Stützpunkte (beispielsweise Odessa) aufbauen würde. Auch wenn die Nato in Odessa überhaupt nicht operiert, spielt das für die Russen keine Rolle. Sie könnte ja!

Der paranoide Faden wird weitergesponnen und handelt von einer ukrainisch vorbereiteten Rückeroberung der Krim. Wie die Ukrainer das machen sollen, sagen die russischen Medien allerdings nicht. Die ukrainische Armee ist der Russischen hoffnungslos unterlegen. Es ist ein bisschen so, als würde der Bär offiziell erklären, dass der Hund ihn bedroht, bevor er ihn in der Luft zerreißt.

Natürlich ist die Frage, was die CIA da tatsächlich im Oktober in die Finger bekommen hat? Einen russischen Angriffsplan der in drei Phasen den Süden, den Osten und die Region um Kiew einnehmen will, lässt sich doch nicht so ohne weiteres im Internet abfangen.  Die militärischen Vorbereitungen an der ukrainischen Grenze, einschließlich der Ausrüstung dortiger Panzer mit Abwehrvorrichtungen gegen ukrainische Raketensysteme, sind aber nicht zu übersehen. Sie sind real! Panzer sind eine klassische Angriffswaffe.

Allerdings verfügen wohl auch die USA über mindestens einen aktuellen Kriegsplan gegen Russland. Der damalige Minister der Regierung Obama, Ash Carter, hatte diesen in 2015 im Nachfeld der Krimkrise beim Pentagon in Auftrag gegeben. Er dürfte inzwischen vorliegen. Über Inhalte ist allerdings nichts bekannt.

Auch die Frage, ob Russland seinen Kriegsplan gegen die Ukraine möglicherweise im Oktober bewusst an die CIA gespielt hat, ist nicht beantwortet. Bisher ist Putin seiner Taktik treu geblieben, oft und ausgiebig zu drohen, die Bedrohten aber über seine Pläne im Unklaren zu lassen. Auf diesen Einschüchterungseffekt hätte der Kreml beim Durchstechen eines Angriffsplans dann verzichtet, was ebenso unwahrscheinlich ist, wie die Vermutung, dass der Kreml einen realen Kriegsplan an seinen Gegner, die Nato, durchstechen würde.

Die Vorstellung, dass Putin die Ukraine erobern würde und zwar einschließlich Kiews, um innenpolitisch zu punkten, erscheint aber lächerlich. Putin hat große Teile der russischen Bevölkerung hinter sich und kann denen so ziemlich alles erzählen, weil die Staatsmedien schauen und denen sogar glauben. Muss er etwa einen Krieg führen, um den eigenen Sturz abzuwenden? Die Washington Post legt das ebenso nahe, wie die deutsche Bildzeitung. Genauer gesagt, Experten, die vor allem Experten in Sachen Panikmache sind, wie Andreas Umland, den man bereits seit dem Maidan 2014, in Insiderkreisen, als „berufenen Warner“ vor der russischen Aggression kennt.

Wenn das die ganze Motivation Putins wäre, könnte man sich entspannt zurücklehnen.

Leider liegen aber noch andere Motive vor, die der Kreml auch sehr deutlich macht, weshalb die Kriegsangst in der Ukraine kein Alarmismus ist.

Die Gereiztheit im Kreml hat mit den Protesten in Belarus deutlich zugenommen. Auch wenn dort hunderttausende Belarussen auf den Straßen standen, war es für den Kreml eine westlich inszenierte Protestbewegung. Wenn Belarus als postsowjetische Diktatur fiele, könnte die Nato tatsächlich vom Baltikum bis zum Schwarzen Meer an russische Grenzen vorrücken.  Vielleicht ist sogar die kleine Mauer, die Polen nun gegen Belarus und seine Flüchtlingswaffe errichten will, ein Schritt im Sinne Russlands?

Jedenfalls übt Lukaschenko schon mal mit der russischen Armee und kündigt an, dass er den Gedanken einer russischen Union vertiefen will. Was das bedeutet, weiß im Moment niemand. Allerdings dürften dann zwei autoritäre Staatslenker, Lukaschenko und Putin, gegen die Demokratiebewegung in Belarus stehen. Die Suche nach einem wirksamen Puffer gegen den Westen ist nicht zu übersehen.

Eine Erde, zwei Welten?

Die westliche und die östliche Welt mit einer Mauer dazwischen. Damit wären die russischen Oligarchen auf unbestimmte Zeit abgesichert. Damit könnte man den westlichen Sog auf die postsowjetische Welt massiv abschwächen und damit könnte man auch eine neue militärische Demarkationslinie von Kaliningrad über Polen und die Ukraine bis zum Schwarzen Meer ziehen, und zwar eine ziemlich saubere Linie, von Nord nach Süd.

Den russischen Militärs könnte das gefallen. Es gibt ja ohnehin in Russland ein Missverhältnis zwischen militärischer Stärke, die gewaltig ist und wirtschaftlicher Schwäche, die das Land zur Armut verurteilt. Warum also nicht mit seinen Stärken auftreten und eine gewaltige Schockwelle nach Europa schicken, indem die Ukraine schnurstracks besetzt wird. Das geht in ein paar Tagen!

Dafür könnte jetzt das Zeitfenster gekommen sein.

Denn warum sollte der Kreml warten, bis die Ukraine ein Raketenabwehrschild amerikanischer Provenienz auf ihrem Gebiet hat und von Patriot-Raketen nur so starrt? In den USA ist die Stimmung ohnehin gespalten. Man will keine ausländischen Kriegseinsätze mehr. Die Ukraine ist auch kein Nato-Mitglied. Also wäre doch jetzt ein guter Zeitpunkt.

Man muss zugeben, dass Putin gute Gründe hat von einem weiteren Vorrücken der Nato, auch in die Ukraine, auszugehen. Joe Biden hat gerade betont, dass es in Bezug auf Russland keine „roten Linien“ für die USA gäbe. Das bedeutet so viel, dass dem größten Land der Erde keine eigenen Einflusssphären zugestanden werden sollen. Tatsächlich eine Politik der Isolierung, die da in Washington verfolgt wird. Für uns in Europa ist das äußerst schädlich. Denn was sollen wir mit einem isolierten Russland anfangen? Ein großes wirtschaftlich und kulturell verbundenes Land, dem wir uns nicht nähern dürfen? Ziemlich absurd und auch ziemlich unverschämt von den Amerikanern.

Aber auch der Kreml ist um Unverschämtheiten nicht verlegen. Denn er hat schlicht und einfach das Land militärisch überfallen, dem er die Zusicherung der Souveränität gegeben hat, nachdem die Ukraine ihre Atomwaffen abgegeben hat. Ein echter Vertrauensbruch und ein schlimmer Betrug obendrauf. Kurz, Putin kommt aus der Sache genauso schlecht heraus, wie die Amerikaner. Die Geschichte wird über einen brutalen Machtkampf berichten, der dann irgendwann zum Krieg führte.

Die Kriegsgefahr besteht

Der Kreml registriert zumindest akribisch jedes einzelne Ereignis, bei dem ihm die Nato in die Quere kommt. Ob Flugzeuge über der Ostsee von Flugzeugen der Nato begleitet oder gar bedrängt werden, ob aktuell ein Passagierflugzeug der Aeroflot einem Nato-Aufklärer ausweichen muss oder amerikanische Kriegsschiffe zu nahe an den Gewässern der Krim operieren und abgedrängt werden. Alles wird als Zeichen genommen, dass die Nato Russland auf den Pelz rücken will. Material für eine Rechtfertigung, wenn Putin tatsächlich angreifen würde.

Neuerdings bemüht Putin auch einen Genozid an der russischen Bevölkerung im Donbass, den der Kreml letztlich als feindliche Macht besetzt hält. Die Führer der russlandorientierten Theaterrepubliken in Lugansk und Donezk dürfen keinen Schritt ohne Putins Erlaubnis tun und sind praktisch Marionetten. Die Tatsache, dass Kiew gegen diese Besatzer kämpft, leuchtet zwingend ein. Man muss die russischen Lügen über die Revolution im Osten der Ukraine nicht lange durchkauen, ehe man sie ausspuckt. Die Region wurde von den Russen besetzt. Das haben dort alle mitbekommen.

Wie auch immer.

Einflussbereiche bekommt man nicht geschenkt. Man muss sie sich erarbeiten. Der Grund, warum die Nato so freigiebig Mitgliedschaften verspricht, heißt natürlich Russland. Die Großmacht soll daran gehindert werden, eine neue eigene Sphäre aufzubauen. Das hat Putin aber längst erreicht. Jetzt geht es eher darum, dass Russland tatsächlich Interesse hat, sich eine strategisch wichtige Region am Schwarzen Meer zurückzuholen. Russland hat Interessen! Es wird diese auch militärisch durchsetzen, so wie es auch bisher mit militärischen Mitteln gearbeitet hat.

Militärische Erpressung aber dürfte auch gegenüber der EU funktionieren.

Alles spricht für eine solide Armee und eine deutliche Aufrüstung

Wenn man ein solches Szenario zu Ende denkt, könnte die EU vor Russland einknicken, wenn seine Armee an ihrer Westgrenze stünde. Denn was wäre die realistische Verteidigung, wenn Putin seine Armee bis zum Atlantik vorrücken ließe?

Vermutlich blieben nur taktische Atomwaffen. Mehr hat die USA nämlich nicht, um uns vor der schwer überlegenen russischen Armee zu verteidigen. Taktische Atomwaffen! Wer will die einsetzen?

Russland hätte gewonnen und Putins Trolle, die bei uns schon fast die Meinungshoheit in den Kommentarspalten haben, würden jubeln und alles irgendwie rechtfertigen.

Sicher, man soll sich in nichts hineinsteigern. Auch die Russen steigern sich ja in diesen angeblichen Befreiungsschlag von der Einkreisung durch die Nato hinein. Aber auch wenn die Ukraine in diesem Winter noch einmal davon kommt, sollten wir  bei uns wieder über Landesverteidigung nachdenken. Ich möchte nämlich keine zweite russische Besatzung, nicht einmal ein bisschen. Mir reichen schon die allgegenwärtigen russischen „Influencer“ in unseren Kommentarspalten.

Ich bin für konsequente Aufrüstung für allgemeine Wehrpflicht und eine europäische Armee, die ihren Namen verdient. Die SPD wird es möglich machen. Denn der Waffenlobbyist Lars Klingbeil wird nun zum SPD-Vorsitzenden. Richtig gehört. Der ehemalige Vertraute und Freund von Gerhard Schröder kümmert sich um unsere Aufrüstung. Gut gemacht Lars!

So ein paar Sanktionen schrecken Russland doch nicht ab und die deutsche Wirtschaft ist jetzt schon den Tränen nah. Das Chinageschäft wackelt schon und dann auch noch Russland! Im Iran wird es auch immer schwieriger. Den holen sich jetzt die Chinesen und am Ende verliert Siemens noch den lukrativen Infrastrukturauftrag der ägyptischen Militärregierung.

So kann es doch nicht weitergehen!

Vielleicht rüsten wir wirklich erst Mal wieder auf und dann nehmen uns die Diktaturen dieser Erde, einschließlich Russland, auch als Verhandlungspartner ernst. Dann brauchen wir keine Sanktionen und können auch militärisch drohen. Die Wirtschaft wird es uns danken. Nach der Pandemie braucht die wirklich keine Sanktionen mehr, sondern neue Aufträge. Auch die Rüstungsindustrie mit all ihren Sparten.

spaulsen

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