Keine Zeit zu sterben -Endspiel um einen Helden

Sönke Paulsen, Berlin

James Bond – Das wievielte Endspiel war das eigentlich?

Natürlich ist bei Filmen aus der Bond-Reihe zu erwarten, dass die ganz großen Bedrohungen der Menschheit auf die Bühne kommen. Wer erinnert sich noch an „Der Morgen stirbt nie“? Ein Medienmogul will die Weltmächte gegeneinander aufhetzten, um fortan die Welt mit seinen Schlagzeilen zu manipulieren. Aber war das nicht harmlos?

Im aktuellen Bond will ein biotechnologischer Giftmischer die Welt mit Nanobots dezimieren, kleinsten programmierten Kriegsmaschinen, die sich von Körper zu Körper übertragen und ganze Sippschaften auslöschen, wenn sie eine vergleichbare DNA besitzen. Ein Schneeballsystem des Tötens gewissermaßen.

Man fühlt sich an dunkle Theorien über die Pandemie erinnert. Allerdings experimentieren die Militärs der großen Weltbeherrscher schon längst an solchen Technologien, zuvorderst die USA. Natürlich nicht in böser Absicht. Die muss man unterstellen, was ich in meinem Roman „Angriff auf die Welt“ in Bezug auf die Chinesen und ihr Biowaffen-Programm getan habe.

Als Bond-Fan lässt mich der neue Bond „Keine Zeit zu sterben“ aber ratlos zurück. Könnte es sein, dass der Handlungsstrang einer globalen biotechnologischen Bedrohung nur dem anderen, viel bedrückenderem Bedrohungsszenario weichen muss?

Dem Untergang des Dualismus von Gut und Böse?

Bond ist nicht mehr Bond und die Welt ist nicht mehr die Welt, wie wir sie kannten. Das Böse wird mittels eines DNA-spezifischen  Gases auf einen Schlag ausgelöscht und kommt maskiert zurück um das Endspiel gegen die Menschheit zu eröffnen. Mehr Untergangsphantasie gab es nie!

Folgerichtig stirbt Bond auch bei seiner letzten Weltenrettung. Eigentlich war es das. Ein neuer Bond? Undenkbar!

„Die Guten und die Bösen sind immer schwieriger zu unterscheiden“, sagt Felix Leiter seinem Mi6-Freund, „unsere Regierungen spielen nicht mehr sauber“.

Leiter wird Opfer eines eingeschmuggelten Maulwurfes, der eigentlich für den Biotech-Verbrecher arbeitet. Das Programm aber, namens Herakles, ist ein geheimes Programm des Mi6, das von eben diesem Verbrecher gestohlen wird.

In einem unübersichtlichen Geflecht von Gut und Böse, in dem der Blick auf die Welt in komplizierter Art und Weise verstellt wird, gibt es tatsächlich nur noch einen Kompass. Den leidenden Menschen. Dieser wird von der ehemaligen Geliebten Bonds, Madeleine Swann, gespielt von Léa Seydoux, verkörpert. Sie erleidet auf der Länge des gesamten Filmes ein Trauma nach dem anderen und ist in gefühlten neunzig Prozent ihrer Auftritte in Tränen aufgelöst. Verstärkt wird dieser Effekt durch die die kleine Tochter, die am Ende einer langen Ahnung tatsächlich das Kind von James ist.

So viel Trauma und so viel Leid so hübsch in Szene gesetzt. Das ist eigentlich kaum auszuhalten. Allerdings gebiert das einen neuen Aspekt des Helden-Epos. Bonds Menschlichkeit. Szenen, in denen er der Kleinen einen Apfel schält und sie süßlich fragt, ob es ihr schmeckt, das große Finale, in dem Bond das verlorene Kuschelwesen des Mädchens in seinen Gürtel klemmt, um gleich darauf von seinem Feind mehrfach angeschossen zu werden. Das sind die Szenen, in denen die Metamorphose vom eiskalten Narzissten, der mit der Welt umspringt, zum gefühlvollen Vater tatsächlich glückt und dem Agenten natürlich zum Verhängnis wird.

Also so viel ist klar. Bond wird nie wieder so, wie er mal war. Charmant, cool, omnipotent und unbesiegbar. Gott ist tot!

Man könnte auch sagen, dass mit Daniel Craig, der dunkelste aller Bonds am Ende in die Luft geflogen ist, sich aufgelöst hat. Eigentlich wäre es konsequenter gewesen, ihn als liebevollen Familienvater enden zu lassen. Aber das hätte wohl den Bond-Machern zukünftig zu viele Steine in den Weg gelegt. Denn Bond muss als Markenname erhalten bleiben. Eiskalte kapitalistische Logik, die das Happy-End unmöglich gemacht hat.

Zur Aufrechterhaltung dieser Markenlogik werden dann auch zahlreiche logische Brüche in Kauf genommen, der Heftigste am Schluss. Das Fläschchen mit Nanobots, die den Kontakt mit Madeleine und ihrer Tochter betreffen, tötet Bond nicht, obwohl wir ja wissen, dass er mit seiner Tochter DNA-verwandt ist. Ganz schön viel absurder Aufwand, um Vater und Tochter voneinander zu trennen und ein riesiger Affront gegen die Menschlichkeit, die ja eigentlich der Kompass in diesem Bond sein soll.

Am Ende bleiben wir ratlos zurück.

Ich glaube die Bond-Macher wissen es selber nicht mehr so genau, auf welcher Seite sie stehen. Auf der Seite des Guten oder des Bösen? Ja, ja, das gibt es nämlich noch. Das Gute und das Böse. Auch wenn man den Blick darauf noch so kunst- und effektvoll verstellt.

spaulsen

One Comment

  1. Ich bezweifle, dass den Bond-Machern auffällt, dass ich auch diesen Bond-Film boykottiere. So wie ich alle vorherigen Bond- Filme boykottiert habe. Bond ist und war schon immer ein Schlonz. In diesem, und in jedem denkbaren und nicht denkbaren anderen Universum.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.