Die Argumente der Russen sind ihr Drohpotenzial

Sönke Paulsen, Berlin

Man sollte die russischen Forderungen und Argumente, welche an die Adresse der Nato gehen, schon ernst nehmen. Auch wenn es unrealistisch und völkerrechtswidrig wäre, einzelnen Ländern eine Mitgliedschaft in der Nato zu verbieten, hat der Kreml natürlich gute Gründe, sich militärisch umzingelt zu fühlen. Die Nato-Osterweiterung, die in vielen Fällen mit einer EU-Mitgliedschaft einherging, ist ein offensiver Akt des Militärbündnisses, der sich ganz klar gegen Russland richtet.

Die Einladung der Nato an „die Neuen“ im Osten erfolgte allerdings auf dem Hintergrund, dass viele dieser Staaten nicht ganz freiwillig Mitglieder im Warschauer Pakt waren und nun das deutliche Bedürfnis haben, sich von ihrem großen Nachbarn auch militärisch frei zu halten. Russland war der Hauptstaat der Sowjetunion und die Sowjetunion war eine Diktatur.

Ob man das heutige Russland aber so fürchten muss, wie damals, darf bezweifelt werden. Die Welt hat sich geändert und Russland auch. Das allerdings glauben viele Osteuropäer nicht und haben deshalb, insbesondere seit Annexion der Krim 2014, um militärische Natopräsenz in ihren Ländern regelrecht gebeten, ganz zuvorderst Polen und die Baltischen Staaten.

Der Grund ist nachvollziehbar. Denn der Kreml arbeitet immer noch mit Einschüchterung und versucht dadurch seine politischen Einflussnahmen in Osteuropa zu flankieren. So wird den Balten aus Moskau vorgeworfen, russische Staatsbürger zu diskriminieren. Moskau sei aber verpflichtet, seine Staatsbürger auch im Ausland zu schützen. Ein Argumentationsmuster, das schnell die Phantasie in Richtung russische Invasion lenkt und zwar ganz gewollt.

Wenn diese Drohung, mit denen russischer Einfluss in Osteuropa gesichert werden soll, funktioniert, kann von freien Ländern in Osteuropa eigentlich nicht mehr die Rede sein. Genau das ist das Problem!

Russland droht ausgiebig und gerne und manchmal schlägt es eben auch zu. Die Ukraine ist das gezeichnete Opfer dieser Mentalität aus Sowjetzeiten.  Wenn wir den Kreml damit durchkommen lassen, akzeptieren wir eine neue Sowjetunion und wer will das schon?

Allerdings muss der Westen sich entscheiden. Eindämmen lässt sich dieses russische Streben nach quasi sowjetischer Dominanz, das auch eine Machtdemonstration der alten Geheimdiensteliten in Moskau ist, eben nur durch militärische Gegendrohung.

Aber wo ist die?

Wäre Russland mit seinem Aufmarsch an den eigenen Grenzen so erfolgreich, wenn die Nato dieser Armee wirklich etwas entgegensetzen könnte? Wohl kaum! Das russische Drohpotenzial muss kompensiert werden und dafür wird die Nato in Europa wohl deutlich aufrüsten müssen. Denn eines lehrt uns Putin gerade. Wir können nicht ein Militärbündnis gegen ihn installieren, das er mit seinen Streitkräften problemlos überrennen könnte.

Das ist lächerlich und daraus bezieht der Kreml derzeit massives diplomatisches Kapital. Das kann so nicht weitergehen.

spaulsen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.