Sönke Paulsen, Berlin
Die allgegenwärtige Klimadiskussion trägt paranoide Züge. Der Klimawandel findet statt. Aber die Diskussion um die Erderwärmung verhindert seit Jahren, dass die Verschmutzung unserer Meere mit Plastikabfall angemessen in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.
Inzwischen ist das Problem so gewaltig, dass es Müllstrudel von der Größe Europas im Indopazifik gibt. Eine Besserung ist nicht in Sicht. Die Plastikproduktion steigt global exponentiell an. Eine Krux ist, dass die Klima-Hysterie eine Lösung der Plastik-Krise erschwert. Lösungswege werden von den allgegenwärtigen Klimaexperten als klimafeindlich diskreditiert. So kann es nicht weitergehen!
In den fünfziger Jahren lag die Plastikproduktion in Westdeutschland bei 1,5 Millionen Tonnen, inzwischen sind es 400 Millionen Tonnen pro Jahr für Gesamtdeutschland. Eine Folge der Wiedervereinigung ist das ganz sicher nicht.
Der weltweite Anstieg der Plastikproduktion, insbesondere der Verpackungsindustrie, ist Folge einer globalen Konsumgesellschaft, die sich in einem linearen Müllausstoß befindet. Es wird produziert und weggeworfen, von Wiederverwertung oder Kreislaufwirtschaft kann nicht die Rede sein. Maximal zehn Prozent des weltweit produzierten Kunststoffes werden recycelt, etwa ein Viertel wird verbrannt, der größte Teil landet auf Deponien und zwanzig Prozent landet direkt in der Umwelt, ein großer Teil davon in den Weltmeeren. Dabei nimmt die Katastrophe überhaupt erst an Fahrt auf. Bis 2050 soll sich der Ausstoß der globalen Wirtschaft an Plastikmüll verdoppeln. Unvorstellbare Mengen von Plastik werden dann unsere Ozeane vergiften.
Fisch ohne ingestierten Mikroplastik wird es dann nicht mehr geben. Aber das ist gar nicht das Hauptproblem. Vielleicht hilft Mikroplastik ja gegen Falten, wenn man genug davon isst. Das Hauptproblem wird sein, dass viele Meereslebewesen, die Plastik essen, daran sterben. Die Rede ist von größeren Plastikteilen die sich in den Mägen von Fischen, Vögeln und Meeressäugern festsetzen und nicht mehr ausgeschieden werden können. Die Tiere verhungern dann, weil ihre Mägen keine weitere Nahrung mehr aufnehmen können. Inzwischen eine Todesursache bei Seevögeln, die jede vergangene Ölpest in den Schatten stellt.
Lösungsansätze gegen die Plastikflut stellen derzeit einen Flickenteppich dar. Kein Ansatz kann das Problem an der Wurzel erreichen. Ob nun die Umstellung von Einwegverpackungen auf Mehrwegverpackungen, gewitztes Recycling bis hin zur Nutzung von Altplastik im Straßenbau oder die Umstellung auf innovative Papierarten und Pappe als Verpackungsmaterial. Alles geht sofort in den allgemeinen öffentlichen Zerhacker, in dem Klimaexperten und Aktivisten, Gesundheitsfanatiker und Industrie alles angreifen, was im Entferntesten klimaschädlich sein könnte.
Das geht so weit, dass kompostierbarer Plastik als Mogelpackung bezeichnet wird, weil am Ende CO2, Wasser und Mineralstoffe bei der Kompostierung herauskommen und kein Humus. Altplastik im Straßenbau sei nicht nachhaltig, weil es ja irgendwann entsorgt werden müsse und man nicht sicher sein könne, dass kein Mikroplastik durch Abrieb entsteht. Papier braucht große Mengen Schwefelwasserstoff und verbraucht Bäume, die die Klimabilanz beeinflussen, wird also ebenfalls in den Reihen der Klimaexperten abgelehnt.
Die gesamte öffentliche Ökologiediskussion ist so vermachtet und mit Grabenkämpfen beschäftigt, dass die Zerstörung unseres Planeten ungestört fortschreiten kann, was mit dem Plastikmüll ohne Zweifel der Fall sein wird. Das Problem besteht schon lange sehr sichtbar und wird immer wieder untergepflügt, weil sich die globale Öko-Lobby auf andere Themen spezialisiert hat. Zielkonflikte werden dabei immer zugunsten des Klimas entschieden und was bitte, verursacht keinen CO2-Ausstoß?
So ist auch die neue EU-Initiative zur Plastikkrise nichts anderes als ein abgewandeltes Klima-Papier. Am besten daran ist noch das Exportverbot von Plastikmüll, das kommen soll. Aber bereits bei dem Ideal der Kreislaufwirtschaft und der flächendeckenden Pfandsysteme für Verpackungen, weiß man aus Erfahrung, dass sich das nur sehr lückenhaft umsetzen lässt und sogar in Deutschland schlecht angenommen wird. Die Konsumgesellschaft hat nun mal eine feste Erwartung: Kaufen, Auspacken und Wegschmeißen. Diese Erwartung zu durchbrechen, gelingt nicht einmal bei uns.
Die Frage ist also, wie sich Mehrwegsysteme mit guter ökologischer Bilanz dort durchsetzen sollen, wo derzeit die Bevölkerungsexplosion stattfindet, in Asien also. Die Verbindung von Plastikverschmutzung und Armutsmärkten ist unabweisbar. Je geringer das Einkommen, desto höher die Neigung zum Kauf von geringwertigem Plastik und desto unbeschwerter wird der Müll weggeworfen, gerne auch in Flüsse, die in vielen asiatischen Staaten massiv verschmutzt sind und ihren Dreck dann in den Indopazifik tragen.
Bei aller Empörung darüber vergessen wir gerne, dass Plastikverpackungen gerade in den ärmsten Ländern, Lebensmittel keimfrei halten, Plastikflaschen sauberes Trinkwasser enthalten und für die Ernährung von Kleinkindern und Babys genutzt werden können. Die Plastikindustrie hat hier hygienische Standards ermöglicht, die vorher nicht möglich waren. Wer erinnert sich noch an den Nestlé Skandal, bei dem vor Jahrzehnten falsche Krankenschwestern in der Dritten Welt für Babymilch geworben haben. Durch das schmutzige Wasser mit dem die Milch angerührt wurde, starben dann tausende Säuglinge. Nestlé hat es nicht bedacht oder es war dem Konzern gleichgültig. Aber sauberes Trinkwasser kam vielerorts in Asien nun mal mit den PET-Flaschen von Nestlé und Coca-Cola.
Das soll diese reinrassig profitorientierten Konzerne nicht reinwaschen. Coca-Cola hat nach Jahrzehnten der Glasflasche in Tansania gerade seine letzte Abfüllanlage auf PET-Flaschen umgestellt, ohne dass es in dem afrikanischen Land ein Pfandsystem gäbe. Es ist klar, wo die Getränkeflaschen des Konzerns nach dem Konsum landen. Irgendwo. Denn eine funktionierende Müllabfuhr oder gar Recyclingsysteme sind hier die Ausnahme und nicht die Regel. Wir werden Nashörner mit Plastikflaschen am abgesägten Horn zukünftig in den Medien bewundern dürfen. Die Plastikflaschen werden das Land genauso verschmutzen, wie die Städte.
Halten wir also fest, dass das Verbot von Plastikmüll-Export gut ist, auch wenn die EU dann ein paar Balkanstaaten mit heftigen Strafen belegen müsste. Es sind Länder wie Rumänien und Bulgarien in denen die Müllmafia besonders aktiv ist und große Mengen angeblichen Recycling-Mülls nach Asien verscherbelt, wo es dann auch nicht recycelt wird.
Egal – die Plastikkrise ist so gravierend, dass sie gelöst werden muss, wenn wir unsere Weltmeere wieder in einen erträglichen Zustand bringen wollen. Auch wenn inzwischen viele Produktionsstandorte von Plastikverpackungen in Asien sind, würden auch diese Standorte ihre Produktion umstellen müssen, wenn die EU ein generelles Verbot von Plastikverpackungen für Lebensmittel und viele andere Produkte beschließt.
Das wäre möglich, auch wenn Bayer und andere Konzerne das bestreiten. Die Verpackungen würden nur sehr viel teurer werden. Es gibt inzwischen Papiersorten, die auch ohne Plastikbeschichtung Lebensmittel hygienisch haltbar machen. Es gibt auch viele sinnlose Plastikverpackungen bei Obst und Gemüse. Schließlich gibt es eine Reihe von Lebensmitteln die keine Plastikverpackungen benötigen. Fleisch, Käse und Wurst können an Frische-Theken in Supermärkten verkauft werden. Käse hat traditionell ein Wachsschicht, die ihn haltbar macht. Getränke können auch in Glas- und Papierpackungen verkauft werden und Müsli kann genauso wie Schokolade in einer Papierpackung ausgeliefert werden.
Dann schreien zwar wieder die Klimahysteriker, dass die CO2-Bilanz schlecht sei. Aber denen kann man es ohnehin nicht recht machen. Denn alles was der Mensch produziert verschlechtert direkt oder indirekt die CO2-Bilanz. Papier kann übrigens aus schnell wachsenden Pflanzen gemacht werden und Bäume, die eine schlechte CO2-Bilanz aufweisen, gibt es auch genug. Wir wissen doch inzwischen dass wir unsere Wälder konsequent umbauen müssen. Da wird viel schlechtes Nadelgehölz fallen müssen. Der Holzpreis wird dabei sinken. Dem Papierpreis wird es gut tun und Zellulosefabriken kann man auch in der EU wieder aufbauen. Die müssen nicht in Asien stehen. Natürlich stinken die, aber eben bei uns, wo sie gebraucht werden. Optimierungen wird man schon finden.
Übrigens ist der Online-Handel eine weitere große Quelle von Plastikmüll. Es ist dabei kaum zu verstehen, dass Plastikpolster zum Schutz vor Beschädigung der Ware genutzt werden. Zusamegeknülltes Altpapier ist genauso effektiv. Außerdem ist alles in Plastik eingeschweißt, was nicht muss. Auch hier könnten Verpackungsverbote helfen, was viele Lieferländer, vor allem China, schnell zu einer Anpassung zwingen würde. Es gibt also Lösungen und hören Sie bloss nicht auf die Klima-Hysteriker, die jede Lösung kaputt reden. Die Plastikkrise drängt!