Gipfeltreffen Putin und Biden in Genf

Putin souverän auf der Pressekonferenz, ein Risiko ging er aber nicht ein

Sönke Paulsen, Berlin

Zwei polierte Kampfhähne und die Chinesen schauen amüsiert zu

Natürlich hat man nicht viel erwartet, von der ersten Begegnung des russischen und des neuen amerikanischen Präsidenten, aber so wenig eben auch nicht. Xi Jinping dürfte entzückt sein!

Bereits zu Beginn des Treffens gab es mächtige Animositäten zwischen amerikanischen und russischen Journalisten, zwischen Sicherheitskräften und Journalisten, die sich ausgesperrt fühlten und auf amerikanischer Seite zwischen dem journalistischen Pool, also den Präsidenten begleitenden Medienvertretern und den übrigen Medienvertretern.

Auf Putins Pressekonferenz gab es fast ausschließlich Fragen von Amerikanern und Russen, CNN und Russia Today gaben sich gegenseitig die Mikros in die Hand. Europäische Medienvertreter hatten das Nachsehen.

Die Zeit der großen Gespräche scheint vorbei zu sein, jetzt befinden wir uns im Zeitalter der medialen Machtspiele.

Aus Kongress und Senat bekam Biden bereits während des Gipfels heftigen Gegenwind, er sei zu schwach aufgetreten und habe dem russischen Präsidenten unnötige Zugeständnisse gemacht. Besonders North-Stream 2 wurde als Menetekel dargestellt, obwohl hier auf dem gerade abgelaufenen G7 Gipfel eher ein Entgegenkommen an Deutschland und die Kanzlerin zu erkennen ist und nicht in erster Linie an Putin.

Was aber trotz des aufgeladenen Backstages, gemeint sind die amerikanischen Republikaner und Medienvertreter, nicht stattfand, war ein Boxkampf. Der enthemmte „Crowd“ hätte zwar dazu gepasst, aber die beiden Präsidenten hatten nicht die geringste Absicht, sich eine Runde zu liefern.

Genauso wenig fand ein Teamevent statt. Amerikaner und Russen sind dafür viel zu weit voneinander entfernt.

Am ehesten könnte man von einem vorsichtigen Abtasten sprechen. Da passt vielleicht das Bild vom Boxsport. Man überlegte gemeinsam, ob man vielleicht gegeneinander antreten will. Weitere Verhandlungen sind aber nicht geplant. Das Ereignis wirkte singulär.

Immerhin haben beide Präsidenten die Unterbrechung ihrer diplomatischen Beziehungen beendet. Aber das war es auch schon.

Am deutlichsten zeigte Jo Biden, dass er keine Idee von einer echten Partnerschaft verfolgt. Die starke Betonung des Kasus Nawalny und die Androhung von Konsequenzen wegen der Verurteilung des Oppositionellen, weil die Menschenrechtsfrage angeblich in der „DNA“ der Amerikaner läge, wie Biden betonte, klingt zumindest nach amerikanischer Innenpolitik, dem Versuch also, die aufgeheizte amerikanische Zivilgesellschaft zu beruhigen. Vielleicht sogar nach einer „Welt-Innenpolitik“, welche aber auch nur den amerikanischen Narzissmus von einer anderen Seite zeigt, als Trump dies mit seiner neuen Abgrenzung im Sinne von America-First demonstrierte. Beides Facetten einer Medaille, die einem US-Dollar ähnelt.

Ob eine solche Strategie, den Gegner mit Menschenrechten in Bedrängnis zu bringen, aufgeht, dürfte  zweifelhaft sein, weil die Europäer und Amerikaner ja einen weit schlimmeren Fall von politischer Verfolgung und Menschenrechtsbeugung im Londoner Belmarsh-Gefängnis sitzen haben. Gemeint ist Julian Assange, der infolge der politischen Verfolgung wesentlich kränker ist, als Nawalny und seine Krankheit auch nicht einfach beenden kann, indem er wieder anfängt zu essen. Putin war so taktvoll, diesen Fall nicht anzusprechen, obwohl er einen anderen Whistleblower immer noch vor der politischen Verfolgung durch die Amerikaner schützt.

Überhaupt hatte man den Eindruck, dass Biden verkündete und Putin argumentierte. Bei einem Boxkampf wäre das der Unterschied zwischen großer Klappe und harter Rechten.

Die Pressekonferenz jedenfalls verlangte dem russischen Präsidenten wenig ab. Er hatte sogar Freude daran, die Autoritarismus-Vorwürfe wegen seines Umganges mit der russischen Opposition, mit dem Chaos um den Sturm auf das amerikanische Kapitol zu kontrastieren. Am Ende hatte man fast das Gefühl. Gottseidank, dass wenigstens Putin für Ordnung sorgt, auch wenn das natürlich nicht stimmt.

Russland geht es wirtschaftlich eben so schlecht, wie es von Korruption regelrecht zerfressen ist. Ein Baum der demnächst von selbst umkippen dürfte. Die Amerikaner dagegen haben ein politisches System, das auf Betrug, Manipulation und Käuflichkeit beruht, garniert mit einer Zivilgesellschaft, deren Lager sich in einem Grabenkrieg befinden, der nicht weit vom offenen Bürgerkrieg entfernt ist.

Beide Länder haben also gut mit sich selbst zu tun, was sollen sie gegeneinander antreten?

Das Problem, das im Osten mit der Sonne aufsteigt, ist die eigentliche globale Supermacht oder der lachende Dritte.

China!

Im Unterschied zu Russland und den USA haben die Chinesen einen dritten Weg gefunden, ihre Milliardenbevölkerung diktatorisch zu kontrollieren und gleichzeitig mit einem atemberaubenden Wirtschaftswachstum und dem daran hängenden Wohlstandversprechen ruhig zu halten.

Wenn das Schule macht, haben wir die zukünftige globale Staatsform. Die kapitalistische Diktatur unter der Fuchtel einer einzigen politischen Partei.

In Wirklichkeit hätten Putin und Biden allen Grund gut zusammenzuarbeiten und sich nicht mit dummen Medienerklärungen zu bewerfen. Denn China schafft Tatsachen, die sowohl Russland, als auch den Westen massiv in Bedrängnis bringen. Sei es die stille wirtschaftliche und politische Annexion Afrikas, sei es die zunehmende Dominanz im Pazifikraum oder sei es die Eroberung der zentralasiatischen Republiken bis zum Kaukasus mittels Geld und einem Seidenstraßenprojekt.

Dem chinesischen Soft-Imperialismus können die beiden Supermächte eigentlich gar nichts entgegensetzen, weil sich inzwischen politisch, militärisch und wirtschaftliche alles auf China fokussiert, das sogar schon den neuen Rahmen für die Welt setzt.

„Weniger Freiheit, mehr Sicherheit und Wohlstand, Frieden und sauberes Wasser“. Diesem Motto von Xi Jinping wird die Welt zukünftig folgen, wie es beispielsweise schon die europäischen Grünen tun. Wenn man Indien noch dazu rechnen will, sind das 2,5 Milliarden Menschen, die die Zukunft des Planeten gestalten wollen und die Supermächte plus Europa, die mal gerade auf 800 Millionen Menschen kommen in die Defensive treiben werden.

Die Zukunft des Planeten findet in Asien statt und die Chinesen können eine zerstrittene und verunsicherte Welt für sich nutzen.

Biden und Putin haben gute Auftritte für ihre Länder abgeliefert, die ihnen ausschließlich zuhause nützen.

Xi Jinping greift derweil nach der Welt!

spaulsen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.