Die Diktatoren bekämpfen ihre Antithese – global

Sönke Paulsen, Berlin

Wir haben es selbst verschuldet! Unser unersättliche Rohstoffhunger und die Sucht nach neuen Absatzmärkten hat die beiden gefährlichsten Diktaturen der Welt, Russland und China darin bestärkt, sich als legitime Mitglieder der Weltgemeinschaft zu betrachten.

Hätte Putin sich getraut, die Ukraine zu überfallen, wenn er Europa nicht in russischer Rohstoffabhängigkeit gesehen hätte? Durfte er nicht hoffen, dass angesichts einer Energiekrise die Moral des Westens zerbricht und die Solidarität gegen den russischen Diktator bröckelt? Zumindest setzt der Kreml Despot immer noch auf diese Karte und setzt Europa mit russischem Erdgas unter Druck.

Würde der chinesische Präsident Xi jetzt seine Finger nach dem demokratisch regierten Taiwan ausstrecken, wenn Europa und die USA China mit ihrer wirtschaftlichen Unterstützung nicht zu einer prosperierenden Volkswirtschaft gemacht hätten? Wenn China, eine eindeutige postkommunistische Diktatur, nicht mit westlichem Know-How mit modernen Laboren (Wuhan ist ein Beispiel) und High-Tech-Fabriken geradezu gefüttert worden wäre? Die Frage ist offen. Aber China hat seinen wirtschaftlichen Aufstieg als Diktatur geschafft, demokratische Reformen wurden lasch angemahnt. Nun ist es das Land mit den meisten Konzentrationslagern der Erde und zugleich mit dem zweithöchsten Bruttoinlandsprodukt. Kann eine Kombination giftiger sein?

Die Diktaturen im Aufwind haben wir uns selbst zu verdanken. Der naive Glaube, dass wirtschaftliche Prosperität schon alles richten wird und die Menschheit von sich aus zur Demokratie bewegen wird, ist gescheitert. Weder in der arabischen Welt, noch in Asien und schließlich im größten Land der Erde, Russland, konnten Demokratien sich nachhaltig durchsetzen. Stattdessen haben wir es mit einer beträchtlichen Zahl von Diktaturen zu tun, die ihre demokratische Antithese nicht nur im Inneren, sondern auch in Kriegen nach außen hin bekämpfen.

Der eigentliche Grund, dass Russland die Ukraine vernichten will, liegt darin, dass sie ein demokratisches Gegenbeispiel für die russische Welt bietet. Genauso liegt es mit Taiwan und China, nachdem Hongkong bereits faktisch unter diktatorische Aufsicht gestellt wurde.

Das andere Riesenland mit über einer Milliarde Einwohnern, Indien, wartet noch ab, welche Staatsform sich zukünftig durchsetzen wird, um Menschenmassen effektiv zu steuern. Dann wir auch Indien sich entscheiden. Ein Land das weit von den Vorstellungen des westlichen Liberalismus entfernt ist, wo vor allem ein archaisches Ständesystem die politische Landschaft kreiert und Menschenrechte in unserem Sinne nur auf dem Papier existieren.

Der Westen hat sich verzockt und geglaubt, dass mit Wohlstand und gutem Beispiel die Welt verändert werden kann. Inzwischen sind unsere Staaten in vielen Regionen der Welt zu Hassobjekten geworden. „State Multiculturalism“ trägt auch auf dem Eröffnungsplakat der documenta in Kassel, das wegen antisemitischer Aussagen wieder abgebaut wurde, die hässliche Fratze des Todes. Auf der anderen Seite steht die schöne Welt der „Cultural Resistance Movements“, die vermutlich erst noch entstehen soll, aber eine revolutionäre Qualität von sich behauptet. Im Kern werden kulturelle Identität und nationale Identität häufig von Diktatoren und Autokraten benutzt, um demokratische Entwicklungen im eigenen Land abzuwehren. Im Falle Russlands scheint das auch einen Angriffskrieg gegen das Nachbarland zu rechtfertigen.

Tatsächlich leben wir also in einer Welt, die Multikulti und Demokratie in beträchtlichem Umfang ablehnt. Wir haben uns verschätzt und brauchen eine neue Strategie. Aber das kommt erst nach der militärischen Auseinandersetzung mit Russland, welche von der freien Welt gewonnen werden muss. Weil sonst die Diktatur auch in Europa im Vormarsch bleibt.

spaulsen

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