Moderne Welt – Mit der Wahrheit hat es niemand mehr

Sönke Paulsen, Berlin

Bald ist es schon ein „alter Hut“, dass seröse Berichterstattung etwas mit einer wahrheitsgetreuen Nachricht zu tun hat. Denn erstens sind Nachrichten heute, schon bei ihrer Entstehung nicht mehr wahr und kommen mit Sicherheit aus irgendeinem Propagandakanal. Zweitens haben Journalisten die Qual der Wahl, welche Nachricht sie nun bringen sollen. Die Propaganda von den einen oder anderen? Die Vorstellung, verschiedene Blickwinkel auf die Welt kolportieren zu müssen, um serös zu sein, existiert nicht mehr.

Die Öffentlich Rechtlichen haben sich bei uns durchgesetzt. Haltungsjournalismus nennt sich ihre Philosophie und beruht darauf, dass Informationen immer pädagogisch aufgearbeitet werden müssen, um den Konsumenten keine falsche Geisteshaltung anzuschreiben. Das klingt komisch, ist aber so. Besonders unangenehm fällt es bei Berichten über Ausländerkriminalität auf, die als solche fast nie zu erkennen sind. Die Herkunft der Täter wird bewusst verschwiegen, nur an der Art des Verbrechens kann man noch vermuten, dass es sich um Ausländer handelte. Die Leute sollen halt nicht denken, dass Ausländer kriminell sind. Das ist Haltungsjournalismus.

In der Henry Nannen-Schule für Journalismus lernte man vor Jahrzehnten noch, dass echter Journalismus nichts verschweigen sollte. Aktueller Journalismus verschweigt immer das Wesentliche. Die Wahrheit wird bewusst vernebelt.

Die Berichterstattung über den Ukraine-Krieg, muss man ebenfalls als Beispiel nehmen. Die Opferzahlen sind auch bei den ukrainischen Soldaten hoch. Es werden aber nur die hohen Opferschätzungen bei den Russen kolportiert, obwohl es sehr einfach sein könnte, Schätzungen der Gegenseite zu veröffentlichen, die ähnlich hoch ausfallen. Dann käme man zu der Wahrheit, die da heißt. Auf beiden Seiten unmenschlich hohe Verluste! Aber das würde Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieses Krieges um nationale Grenzen wecken und könnte die westliche Unterstützung für die Ukraine schwächen. Also wird es nicht geschrieben. Die Wahrheit wird bewusst einseitig dargestellt.

Die Wahrheit ist auch, dass Russland und die Ukraine so ähnliche Länder mit so ähnlichen Bevölkerungen sind, dass es zumindest vor 2014 den Leuten völlig egal erschien, wo die Grenzen verlaufen. Erst nach massiver Einmischung des Westens auf dem Euromaidan kam es zu diesem merkwürdigen neuen Nationalismus. Als Ukrainer würde ich mich zumindest nicht erschießen lassen, nur damit für eine Weile der Grenzverlauf gewahrt bleibt. Es spielt für die Bevölkerung schlicht keine Rolle. Der Krieg ist ein Krieg Russlands gegen die Nato, die sich in der Ukraine zunehmend positioniert hat und den neuen Nationalismus gefördert hat. Dafür sterben? Doch wohl bitte nicht! Die Wahrheit wird nicht berichtet und darf es auch nicht. Die Leute würden anfangen den ukrainischen Helden und den russischen Angreifern den Vogel zu zeigen. Währenddessen sterben hunderttausende junge Männer. Wird das thematisiert? Nein.

Das ist ganz klar eine Folge des Haltungsjournalismus, der nicht ein objektives Bild, sondern eine bestimmte Haltung liefert. Mit Wahrheit, hat diese Form des Journalismus nichts am Hut.

Die Frage ist nur, wie es dazu kam?

Natürlich ist es nicht neu. Es gab diesen tendenziösen Journalismus schon immer und natürlich ganz besonders in Zeiten des kalten Krieges, wo aus dem Osten nie etwas Gutes zu erwarten war und alles Böse kam. Axel Springer war ein glühender Verfechter dieser Art von Haltungsjournalismus. Im Kern ist ganz klar, dass diejenigen, die die Macht haben, ihre Wahrheit durchzusetzen, das auch tun.

Aber es kommt bei dieser Wahrheitsverachtung inzwischen noch etwas anderes dazu. Das ist das Internet.

Das Internet suggeriert uns, omnipotent zu sein und alles wissen zu können, oft auch, alles zu wissen. Das führt uns noch mehr als früher zu der Haltung, die meint, alles zu wissen. Eine solche Haltung will nicht belehrt, sondern nur bestätigt werden. Eine Art intellektueller Narzissmus, der heute weit verbreitet ist. Das Unerwartete muss schon sehr sensationell daher kommen, damit wir es überhaupt zur Kenntnis nehmen. Aber auch dann lassen wir uns nur selten von unserer Haltung abbringen und machen im Zweifel lieber ein paar Informationen nachträglich passend, damit unser Weltbild weiterhin stimmt.

Wir sind also in Bezug auf die Medien keine Lernenden mehr, sondern belehrungsresistent. Dieses starre Verharren wird von den Medien fortgeführt und so bilden sich gesellschaftliche Meinungen aus, die nichts anderes mehr zulassen. Von jeder dieser Meinungen wird die Wahrheit der Anderen massiv bekämpft.

Diese Art der Meinungshegemonie, die oft von einer ganzen Reihe propagandistischer Methoden getragen wird, gab es früher auch schon. Aber sie nimmt zu, wenn Gesellschaften sich bedroht fühlen. Im kalten Krieg war sie deutlich nachweisbar, aber durch die stabilen Grenzen nahm sie nicht überhand. Inzwischen ist die Meinungshegemonie aber die alles beherrschende Methode in der Öffentlichkeit und das spricht für sehr instabile Grenzen, die wir auch haben, im Äußeren, wie im Inneren. Im Äußeren, weil wir von Menschen aus anderen Ländern praktisch überrannt werden und im Inneren, weil die Widersprüche unserer Gesellschaften zunehmen.

Wie können es Grüne erklären, dass sie gerade die schlimmsten Gewalttäter und Drogendealer heiligen, während sie Gewalt geradezu religiös ablehnen. Warum sind südländische Patriarchen quasi Schutzbefohlene der Alternativen und warum ziehen sie fanatisch in einen Krieg für den sie überhaupt keine einzige Überzeugungsgrundlage haben, außer der Annahme, dass die Ukraine demokratischer ist, als Russland, was in den letzten zwanzig Jahren niemand bewiesen hat.

Vielleicht muss man als letztes noch den modernen Charakter heranziehen, der sich selbst für seine eigene Stimmigkeit keine Rechtfertigung mehr ablegt. Charakter war früher ein sich Prüfen, ob die eigenen Verhaltensweisen und Einstellung miteinander stimmen. Heute tut das niemand mehr. Alle prüfen, ob das eigene Mindset mit dem der anderen übereinstimmt. Ein Charakterverlust sondergleichen. Man könnte auch sagen, ein weibliche Eigenschaft, die Anpassung an die Gruppe über alle Widersprüche zu stellen.

Angela Merkel hat es vorgemacht und bleibt das Paradebeispiel für diese weibliche Schwäche in der Politik.

Zusammenfassend kann man nur sagen, dass die Wahrheit bei uns heute keine Chance mehr hat. Weder in den Medien noch in der Öffentlichkeit noch in der Politik. Es ist eine weibliche Welt geworden, in der vor allem auf oberflächliche Übereinstimmung und Harmonie bestanden wird. Sie ist nicht mehr streitbar, sondern allenfalls zickig und sie kämpft mit der weiblichen Methode der Ausgrenzung. Man kann das auch als Krabbenkorbsyndrom bezeichnen. Krabben brauchen keinen Deckel auf dem Korb, weil sie sich gegenseitig in den gemeinsamen Korb zurückziehen. Weibliche Krabben, möchte man ergänzen.

spaulsen

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